von Michaela Gründer (gruender.michaela@t‑online.de)
Wir erinnern uns an den letzten Sommer und Sigmar Gabriels Besuch im Nürnberger Rathaus. War Münchhausen im Spiel, als Sigmar Gabriel verkündete „Natürlich kann man die Leute nicht mit Stromtrassen einkreisen – die werden ja verrückt!“ und „Die Stromtrasse wird so nicht kommen!
Wenn wir das machen haben wir jahrelang das Theater mit den Bürgern!“? Schon unangenehm, dass es diese „Bürger“ gibt, die derart lästig werden können! Da lässt es sich doch wahrlich wesentlich angenehmer mit den Lobbyisten plaudern. Ein Vorgeschmack auf TTIP?
Frei nach dem Motto ‚Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern‘ forderte Gabriel dann
Anfang dieses Jahres: “Bayern muss sich im Januar endgültig für die beiden geplanten Stromtrassen nach Süden entscheiden!”.
Der Widerstand in der Bevölkerung gegen TTIP und CETA ist groß. Erst kürzlich lässt er sich zu folgender Wählerbeschimpfung hinreißen: „Deutschland ist reich und hysterisch!“
Scheinbar ist die kritische Bevölkerung recht unbeliebt bei Herrn Gabriel.
Und was sollen wir Wähler nun vom Energie-Dialog halten? Wirtschaftsvertreter und Lobbyisten sind in der Überzahl, Moderatoren teilweise voreingenommen. Alternativen zu den alten Strukturen zentraler Stromerzeugung scheinen wenig zu interessieren, auf Biegen und Brechen wird festgehalten am umweltschädlichen Braunkohlestrom. Wie sich herausstellt geht es um den Internationalen Stromhandel und den Stromexport, nicht um Versorgungssicherheit.
Ist der E‑Dialog eine Pseudoveranstaltung die eingerichtet wurde, um die Gemüter zu beruhigen?
Inzwischen ist uns klar geworden, dass wohl die meisten in dieser Runde unsere Argumente nicht wirklich hören wollen, weil zu unbequem und, im doppelten Sinn, nicht gut für das Kohleschürfen.
Könnte es sein, dass einigen Volksvertretern, wie zum Beispiel Herrn Gabriel, jedweder Kontakt zum Bürger, dessen Bedürfnissen und damit jegliche Bodenhaftung abhanden gekommen ist? Haben sie vergessen, dass sie dem Volk gegenüber verantwortlich sind und stattdessen die Wirtschaft zu ihrem Guru erhoben? Machen sie sich zum Erfüllungsgehilfen der Energiekonzerne?
In einer Demokratie entscheidet zwar der Wähler, wer im Parlament die Mehrheit repräsentiert.
Wie aber steht es um die Einflüsse auf die im Parlament vertretenen Politiker? Auf welche Art und
Weise und auf welchen Wegen gelangen sie zu ihren Entscheidungen? Das zu hinterfragen und unter
Umständen anzuprangern ist das gute Recht eines jeden von uns.
In einer Monarchie gibt es einen König – wir haben, in gewisser Hinsicht, viele Könige. Das erschwert es, an die Verantwortung für die Menschen zu erinnern und entsprechendes Handeln einzufordern.
Der Dichter Friedrich Hölderlin schrieb in seiner Patmos-Hymne: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Worin besteht in unserer Sache das Rettende? Vielleicht sehen wir es (noch) nicht.
Politik, Wirtschaft und deren Lobbyisten haben Geld und Beziehungen.
Wir haben unsere Wählerstimmen! Und ein gutes Gedächtnis!
Da kann ich nur sagen: „Volkes Mund tut Wahrheit kund“.
Für mich ist Baden Württemberg ein klassisches Beispiel, wie man den Willen des Volkes zwar ignorieren kann, aber dann dafür auch „bezahlen“ muss. Nach 58 Jahren CDU-Regierung wurde diese im Jahr 2011 in Baden Württemberg abgewählt.
Eine Mitursache mag dabei sicherlich auch die Vorgehensweise bei der Planung und Realisierung des Bahnprojektes Stuttgart 21 gewesen sein.
Bis 2008 hat die Bürgerenergiewende gut geklappt. Viele Regionen waren auf dem Weg zu 100 % Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien – dezentral selbst erzeugt. Das Geld blieb bei den Bürgern, Gemeinden usw.
Die Bürgerinnen u. Bürger, die Landkreise und Gemeinden haben aus Sicht der Lobbyisten zu viel erreicht. Da musste sich für die “Großen” was ändern…
Mit den Änderungen zum EEG bremsen sie jetzt die Bürgerenergiewende aus, die Stromtrassen werden geplant um die Atom- und Kohlelobby noch über Jahrzehnte weiter bedienen zu können.
Mir fällt bei der aktuellen Situation immer Hermann Scheer ein, der mit Hans-Josef Fell der Begründer des EEG war (das gut funktionierte und bei dieser ursprünglichen Version stieg auch die EEG-Umlage weitaus weniger als seit 2009…): “Statt weniger Eigentümer (er meint damit die großen Energieerzeuger) haben wir auf einmal Hunderttausende oder gar Millionen Eigentümer. Das ist nur möglich mit Erneuerbaren Energien und zwar für alle. Die Energieversorgung bekommt eine Demokratisierung.”
Und die Demokratisierung durch die Energiewende war den großen Energieerzeugern wohl zu viel – und jetzt schieben sie alles durch inkl. der Stromtrassen um ihr Macht- und Strommonopol aufrecht zu erhalten.
Und die Politik um Gabriel rundherum macht fleissig mit…
Danke für den Hinweis auf Hermann Scheer, einen dezidierten Gegner von Großprojekten, wie z. B. desertec in Nordafrika und damit auch dem Transport großer Strommengen. Er befürchtete eine Festschreibung der Monopole dadurch, seiner Zeit weit voraus.
Würde er noch leben, wäre er bestimmt auf unserer Seite.
Seinen genauen Werdegang siehe wikipedia