Wider­spre­chen Tras­sen­pla­nun­gen gel­ten­dem EU- und Völkerrecht?

Die Aar­hus-Kon­ven­ti­on ist der­zeit The­ma im Euro­päi­schen Par­la­ment: Wider­spre­chen Gleich­strom­tras­sen und Netz­aus­bau­be­schleu­ni­gungs­ge­setz gel­ten­dem EU- und Völ­ker­recht? Sind die geplan­ten Mega­tras­sen wie Süd­ost­link und Süd­link womög­lich Schwarzbauten?

Die Aar­hus-Kon­ven­ti­on soll die demo­kra­ti­sche, ver­bind­li­che Mit­wir­kung der Bevöl­ke­rung bei Ein­grif­fen in die Umwelt gewähr­leis­ten, wie bei­spiels­wei­se beim Bau von Strom­tras­sen. Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger haben das Recht, Anteil an der Bewah­rung der Lebens­grund­la­gen zu neh­men, und die Poli­tik hat die Pflicht, sich der Kon­se­quen­zen bewusst zu sein, die mit sol­chen Ein­grif­fen ein­her­ge­hen. Es muss mög­lich sein, die Reiß­lei­ne zie­hen zu kön­nen, wenn bei Infra­struk­tur-Pro­jek­ten wie gro­ßen Strom­tras­sen die Aus­wir­kun­gen für die Natur zu gra­vie­rend sind und die­se Vor­ha­ben erheb­li­chen Umwelt­aus­wir­kun­gen mit sich bringen.

Arne Geri­cke, Euro­pa­ab­ge­ord­ne­ter der Frei­en Wäh­ler, geht die­ser Fra­ge aktu­ell in Brüs­sel nach – und erhält die Ant­wor­ten scheib­chen­wei­se. Nach­dem EU-Umwelt­kom­mis­sar Kar­me­nu Vel­la in einer Ant­wort auf Geri­ckes Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge ein­ge­räumt hat­te, dass „eine Unter­su­chung anhän­gig ist, die die Ver­ein­bar­keit des deut­schen Rechts mit den EU-Rechts­vor­schrif­ten zur Umset­zung des Über­ein­kom­mens von Aar­hus zum Gegen­stand hat“, nimmt der Abge­ord­ne­te nun eine Rüge des zustän­di­gen „Aar­huus‑Com­pli­ance-Aus­schus­ses“ der Ver­ein­ten Natio­nen gegen die EU zum Anlass, deren Rol­le beim geneh­mig­ten Netz­aus­bau in Deutsch­land in Fra­ge zu stel­len: „Mein Ein­druck ist: Die Mons­ter­tras­sen ste­hen gera­de recht­lich auf sehr dün­nem Eis.“

Foto: Thi­lo Tiede

Fakt ist: Es besteht kei­ne ver­bind­li­che Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung für die Netz­aus­bau-Pla­nung, solan­ge noch alle Optio­nen offen sind. Im Netz­aus­bau­be­schleu­ni­gungs­ge­setz (NABEG) steht: Nur gegen ein­zel­ne Bau­ent­schei­dun­gen, nicht aber gegen die gesam­te, lan­ge vor­her fest­ge­leg­te Netz­aus­bau­pla­nung dür­fe vor Gericht geklagt wer­den. Durch die lan­ge Ver­fah­rens­dau­er besteht jedoch kein effek­ti­ver Rechts­schutz, denn nach dem Plan­fest­stel­lungs­be­schluss kön­nen Ableh­nungs­grün­de fak­tisch nicht mehr wirk­sam wer­den: Es kann zwar theo­re­tisch geklagt wer­den, jedoch bestehen kaum Erfolgs­chan­cen. Das füh­ren die Rechts­exper­ten Wolf­gang Bau­mann und Prof. Dr. Bri­go­la in einem Auf­satz aus (Baumann/ Bri­go­la „Von Garz­wei­ler nach Aar­hus  – der Netz­aus­bau und das euro­pa­recht­li­che Gebot unmit­tel­ba­ren Rechts­schut­zes“ ver­öf­fent­licht im Deut­schen Ver­wal­tungs­blatt 22/2017). Dies jedoch wider­spricht sowohl dem Völ­ker­recht der Aar­hus-Kon­ven­ti­on als auch dem Europarecht.

Deutsch­land hat die Aar­hus Kon­ven­ti­on unter­schrie­ben und muss folg­lich deren Kri­te­ri­en in den ein­schlä­gi­gen Geset­zen ver­an­kern – was bis­lang ver­säumt wur­de. Es ist also sehr wich­tig, dass dies­be­züg­lich nach­ge­hakt wird.

Eine Ent­schei­dung für deut­sches Recht soll vor­aus­sicht­lich noch vor der Som­mer­pau­se im Bun­des­tag gefällt wer­den – die Zeit wäh­rend der Fuss­ball-Welt­meis­ter­schaft ist ide­al für mög­lichst unbe­ach­te­te Gesetzesänderungen.

Mehr hier:

Schreibe einen Kommentar