“Aussetzen der Netzplanung” gefordert – Wichtig: Vorschlag betrifft nicht die derzeitigen Trassenplanungen
Es sind gravierende Umbrüche in der Diskussion um die Netzausbauplanung im Gange, die höchst spannend sind – welchem Ziel diese Kommunikations-Offensive dient, das ist dagegen noch nicht so klar:
„Tennet fordert Aussetzen der Netzplanung“, so der Titel eines Beitrags. “Das Land will das eigentlich überhaupt nicht”, erkennt Lex Hartman, Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers TenneT. „Wenn wir die Logik der bisherigen Netzplanung beibehalten, erleben wir mit der nächsten Stufe des Erneuerbaren-Ausbaus eine Netzausbau-Spirale. Für das Energiewendenetz von morgen muss aber gelten: Sowenig neue Stromleitungen wie möglich, so viele wie nötig. Nur so können wir Akzeptanz für die Infrastruktur der Energiewende erwarten“, so der Tennet-Chef weiter. „Die Energiewende entwickelt sich rasant. Die Entwicklungen, die den Netzausbau von morgen und übermorgen bestimmen, stehen nicht im Netzentwicklungsplan. Wir brauchen eine Netzplanung 2.0.“
Auch Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann sieht den Netzausbau angeblich an seine Grenzen stoßen. Gleiches von Patrick Graichen, Direktor der Stiftung Agora Energiewende, die als Offshore-Lobby-Plattform gewöhnlich immer ganz vorne in der Beschönigung beim überdimensionierten Netzausbau dabei ist: “Man wird wohl kaum noch einmal durch die Lande ziehen, um den Menschen zu erklären, wir brauchen nochmal diese Netze”, so seine Feststellung zu den Diskussionen um die HGÜ-Trassen von Nord nach Süd. Als Lösung schlägt Graichen vor, beim Bau der HGÜ-Leitungen gleich Leerrohre mit zu verlegen, durch die die Trassen dann mit weiteren Kabeln für höhere Übertragungskapazitäten ausgestattet werden können. So kann man natürlich auch den Anschein von geringerem Netzausbau erwecken.
Diskussionsforum für den Netzausbau von „übermorgen“?
Tennet empfiehlt, bis Ende 2018 ein Diskussionsforum aus Übertragungsnetzbetreibern, Politik, Behörden, Wirtschaft und Gesellschaft zu gründen. Ziel solle sein, den neuen NEP erst im Jahr 2020 zu beschließen – das würde bedeuten, der neue Netzentwicklungsplan käme nicht turnusgemäß, sondern mit einem Jahr Verspätung. Einen möglichen Vorteil hätte eine so geartete öffentlichkeitswirksame gesellschaftliche Debatte – für Netzbetreiber und Bundesnetzagentur: sie könnte von den derzeitigen Akzeptanzproblemen beim Netzausbau ablenken.
Die Frage ist: Wie ernst kann man Beteuerungen nehmen, dass der Netzausbaubedarf reduziert werden müsse, wenn sie von Netzbetreibern oder von der Bundesnetzagentur kommen? Eine Scheindiskussion, um öffentlichkeitswirksam einen guten Willen zu präsentieren? Ein kräftiger Tritt in Richtung Politik, dass sie jetzt endlich gefälligst die Seite der Netzbetreiber noch stärker unterstützen solle, da ohne „Windstromtrassen“ die Energiewende gefährdet sei?
Bereits aktuelle Planungen sind überdimensioniert
Bis zum Ruhestand hat Lex Hartman noch das ein oder andere Projekt vor, auch sein Nachfolger dürfte nicht arbeitslos werden – die derzeit geplanten Stromleitungen werden keinesfalls abgesagt. Wenn man allein die jetzt im NEP enthaltenen Leitungen alle baut, hat jede Region in Deutschland ihre eigene Megatrasse. In der Öffentlichkeit scheinbar Vernunft und Mäßigung zu üben ist also wenig überzeugend.
Auch die N‑ERGIE hält bereits die beschlossenen Ausbauziele der Übertragungsnetze für überdimensioniert. Dabei stützt sie sich unter anderem auf die Studie „Dezentralität und zellulare Optimierung – Auswirkungen auf den Netzausbaubedarf“, die Ende 2016 von der FAU Erlangen-Nürnberg und der Prognos AG vorgestellt wurde.
Dass ein Trassenbauer keine oder deutlich weniger Trassen bauen will, ist kaum plausibel. Zumal das eine Reaktion von Seiten der Europäischen Energieunion provozieren dürfte, die auf die Stromtrassen-PCIs besteht. Für die Umsetzung dieser „Projects Of Common Interest“ werden die vier großen Netzbetreiber nicht nur in die Pflicht genommen, sondern die PCIs werden im Vorfeld von diesen selbst vorgeschlagen. Aber wer in der Öffentlichkeit nimmt den absurden Kreislauf der selbstbestimmten Projektierungen von milliardenschweren Netzausbau-Projekten schon wahr? Insgesamt muss festgestellt werden: Eine Mäßigung beim Netzausbau widerspricht den europäischen Entwicklungen inklusive geplanter Beschleunigung beim Trassenbau komplett. Die geplante europäische Kupferplatte soll sicherlich nicht beerdigt werden.
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Am vergangenen Freitag, den 15.06. fand in Taufkirchen bei München der erste Branchentag “Erneuerbare Energien in Bayern” statt. Zum Schluss hatten auch Politiker das Wort, Ludwig Hartmann von Bündnis90/Die Grünen durfte da nicht fehlen. Seine Meinung zum überdimensionierten Stromnetzausbau? “Unbedingt erforderlich, der Windstrom aus dem Norden muss in den Süden”. Kein Erkenntnisgewinn bei der Landesspitze dieser Partei, egal, was die Basis im Programm der Landesarbeitsgruppe anstößt und zum Teil auch durchsetzt. Und auf die Aussage der Moderatorin, dass die Grünen doch fast nicht mehr als Umweltpartei wahrgenommen werden, kam heftigster Protest von ihm. Es scheinen also nicht nur die Gegnern des überdimensionierten Netzausbaus diesen Eindruck von den Grünen Spitzenpolitikern zu haben.