Für die Region Nürnberger Land wird es ernst: Im Ende Januar neu erschienenen Netzentwicklungsplan (NEP) ist die Wechselstromtrasse P44mod erneut enthalten. Nach Aussage der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner habe diese Trasse nun Vorrang vor der in Richtung Grafenrheinfeld verlaufenden Leitung P44. Ein Aktionsbündnis von Bürgermeistern und Bürgerinitiativen der betroffenen Gemeinden kündigt scharfen Protest an.
Noch im Dezember 2016 berichtete die CSU im Nürnberger Land auf ihrer Website und in der lokalen Presse davon, zur Stromtrasse P44mod lägen aktuelle Fakten auf dem Tisch, die die Bevölkerung beruhigen könnten: „Die befürchtete Trasse P44mod durch das Schnaittachtal, Ottensoos und Leinburg wird durch den Freistaat abgelehnt und ist quasi vom Tisch“. Auch vorher schon hatte die Bayerische Staatsregierung wiederholt betont, man werde „harten Widerstand“ gegen die Projekte P44 und P44mod leisten, die weite Teile Nordbayerns in Mitleidenschaft ziehen würden.
Im nun erschienenen Netzentwicklungsplan 2030 ist diese Höchstspannungsleitung jedoch weiterhin enthalten. Wirtschaftsministerin Aigner spricht in einem Interview des Bayerischen Rundfunks vom 31. Januar 2017 sogar von einer Bevorzugung der Trassenführung durch das Nürnberger Land: „Es gilt nach wie vor, dass es keine Überbündelung in Grafenrheinfeld geben darf und dass Bestandstrassen hier im Vordergrund sind, und da müssen auch noch Gespräche geführt werden.“ Die P44 wäre im Gegensatz zur Alternativstrecke P44mod ins Nürnberger Land ein Neubau. CSU-Kreisvorsitzender Norbert Dünkel (MdL) war bislang nicht zu einer Stellungnahme bereit.
Martina Baumann, Bürgermeisterin der Gemeinde Neunkirchen am Sand, fragt sich, wie es sein kann, dass sich die Meinung des bayerischen Kabinetts so grundlegend ändert, trotz der wiederholten Beteuerungen, man brauche sich in den betroffenen Regionen keine Sorgen zu machen. Sie hat im vergangenen Jahr zusammen mit weiteren Bürgermeistern der Region und Bürgerinitiativen gegen Stromtrassen zu einem Bündnis eingeladen, das sich gegen den ihrer Meinung nach überdimensionierten Netzausbau und für eine dezentral ausgerichtete Energiewende einsetzt. „Man baut diese Netze für den internationalen Stromhandel durch unsere Landschaft und beeinträchtigt die Lebensqualität unserer Bürger. ‚Neubau in bestehender Trasse‘ ist eine unzulässige Verharmlosung. Die Masten werden wesentlich höher und die Spannung auch!“
Auch Dörte Hamann, Sprecherin der Bürgerinitiativen, kritisiert das Verhalten von Politik und Netzbetreibern scharf: „Alles, was man macht, ist Hinterzimmerpolitik in kleinen Gesprächskreisen. Aber die Verantwortlichen kommen nicht ins Trassen-Widerstandsgebiet, um endlich mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen!“ Netzbetreiber TenneT hatte im letzten Jahr die Teilnahme an einer Veranstaltung mit dem Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse kurzfristig abgesagt und bislang nicht nachgeholt, trotz schriftlich vorliegendem Versprechen. Auch der jährliche Münchner Energiedialog im Wirtschaftsministerium, bei dem Vertreter der Bürgerinitiativen eingeladen waren, wurde jetzt auf unbestimmt verschoben.
Die Leitung P44mod soll von Altenfeld über Würgau bis nach Ludersheim bei Altdorf verlaufen. Laut neuesten Informationen von Netzbetreiber TenneT soll in der Nähe einer schon bestehenden Trasse eine zweite Wechselstromleitung gebaut werden. Diese ist mit 380 Kilovolt eine Höchstspannungsleitung, die Masten werden deutlich höher als die der Bestandstrasse. Sie kann nicht als Erdkabel verlegt werden, da die gesetzliche Grundlage dafür bei Wechselstromtrassen fehlt. Die P44mod steht in direktem Zusammenhang mit dem Ausbau von großen Gleichstromleitungen (HGÜ) wie dem SuedOstLink. Im Falle einer Störung soll die Leitung für ausreichend Transportkapazität sorgen. Eine verbindliche Abstandsregelung zur Wohnbebauung für den Schutz der Anwohner bei Neubau oder Aufrüstung von Wechselstromtrassen fehlt in Bayern weiterhin.