Wir appellieren eindringlich an alle Bundestagsabgeordneten: Stoppen Sie die Novellierung des Bundesbedarfsplans in dieser Legislaturperiode! Hören Sie auf unabhängige Wissenschaftler, Umweltverbände und Energieexperten und tragen Sie dazu bei, dass endlich ein nachhaltiges Energiekonzept über alle Sektoren hinweg entwickelt wird. Die Energiewende braucht ein ertüchtigtes Verteilnetz inklusive Planungssicherheit für alle Akteure am Erneuerbaren-Energien-Markt. Das geplante überdimensionierte Übertragungsnetz lehnen wir hingegen entschieden ab.
Wie sich die Bundesregierung für ihre Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes im aktuellen Referentenentwurf zu rechtfertigen versucht, ist ein Affront gegenüber all jenen, die sich seit Jahrzehnten für die Umsetzung der Energiewende einsetzen, lange bevor die großen Energiekonzerne das Thema als Gelddruckmaschine für sich entdeckt hatten. Die Corona-Krise schamlos ausnutzend, wurden in den letzten Monaten zahlreiche Gesetzesnovellierungen auf den Weg gebracht, um eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren zu erwirken, indem Bürgerbeteiligung und Kontrolle durch Umweltverbände systematisch ausgeschaltet werden. Wer sich durch einflussreiche Lobbyisten an alte Machtstrukturen im heiß umkämpften Energiemarkt binden lässt, sollte nicht von Daseinsvorsorge und Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen sprechen, sondern zugeben, dass es längst nicht mehr um die Versorgungssicherheit in Deutschland auf Basis erneuerbarer Energien, sondern um eine europäische Kupferplatte in der Energieversorgung geht.
Die Klimaziele von Paris sind letztendlich das Maß aller Dinge, wenn wir als Gesellschaft überlebensfähig bleiben wollen. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung sind seit Jahrzehnten bekannt. Lippenbekenntnisse gab es viele – von allen Parteien in Regierungsverantwortung. Geändert hat sich nichts. Allen „for-future“-Bewegungen zum Trotz, Wirtschaftsminister Altmaier schafft es immer wieder, zahlreiche Chancen auf dem Weg in eine dekarbonisierte Welt durch falsche Entscheidungen in seinem Zuständigkeitsbereich zu vernichten. Die Windkraft liegt am Boden. Das EEG schränkt den Ausbau der Solarenergie unverhältnismäßig ein, die Bürgerenergie wird absichtlich ausgebremst. Tausende Arbeitsplätze bei den erneuerbaren Energien werden kommentarlos vernichtet, während man die Kohleverstromung künstlich am Leben halten will. Die Energiewende hauptsächlich im Stromsektor zu verorten und als Maß aller Dinge einen überdimensionierten Netzausbau einzufordern, ist einer Bankrotterklärung gleichzusetzen.
Bundesregierung schaufelt neues Milliardengrab
Jedes noch so schwärmerisch ausformulierte Grundsatzprogramm verliert an Glaubwürdigkeit, wenn man sich die klaren Fakten ansieht. Die Corona-Krise hat ein tiefes Loch in den Bundeshaushalt gerissen. Während 100 Milliarden an Steuereinnahmen wegbrechen, die Neuverschuldung inzwischen mit weit über 200 Milliarden Euro – Grenze nach oben natürlich offen – beziffert wird und viele Unternehmen nach wie vor ums Überleben kämpfen, sieht sich niemand in den Reihen der Bundestagsabgeordneten verpflichtet, endlich die Notbremse zu ziehen und die Verabschiedung des Bundesbedarfsplans zum jetzigen Zeitpunkt zu verhindern. Geschätzte Kosten: 95 Milliarden für den Übertragungsnetzausbau. Nur weil man die politische Macht hat, ist man noch lange nicht im Recht. Was nutzt uns ein immer weiter ausufernder Bundestag, wenn letztendlich externe Berater mehr Einfluss auf Gesetzesentscheidungen nehmen als die Bürgerschaft.
Solange politische Fehlentscheidungen ohne Konsequenzen für die Verantwortlichen auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden, wird die Energiewende scheitern. Es ist durchaus legitim, jedes Leitungsprojekt im Übertragungsnetz zu hinterfragen. Tschechien bereitet inzwischen den Bau neuer Atomreaktoren vor, Polen bleibt weiterhin Kohleland und plant bis 2040 den Bau von sechs neuen AKW, aber wir stärken die Grenzkuppelungen, damit die Konzerne Überkapazitäten aus der Braunkohleverstromung in Europa reibungslos verkaufen können! Marktmanipulationen bleiben trotz verursachter Black-Out-Gefahr ohne Folgen und Redispatch-Kosten sind auch künftig zentraler Teil der Netzsteuerung. Man wird uns weiterhin Strommärchen erzählen und dabei vergessen, dass sich der Norden Deutschlands nach Abschaltung der Atommeiler und der Kohlekraftwerke von Wilhelmshafen über Moorburg bis Rostock nicht einmal selbst mit erneuerbaren Energien versorgen kann. Aber die Stahl- und Chemieindustrie im Norden ruft schon eifrig nach mehr billigem Windstrom – der somit auch nicht weiter transportiert werden muss.
Für das bundesweite Aktionsbündnis gegen den überdimensionierten Netzausbau:
- Dörte Hamann, Sprecherin Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse ABSOT
- Maria Quanz, Verbandssprecherin (HE) Bundesverband der BI gegen SuedLink
- Franziska Hennerkes, Sprecherin Aktionsbündnis Ultranet
- Conny Zeidler, Sprecherin der BIs gegen den Ersatzneubau Juraleitung
- Petra Filbeck, Sprecherin BüfA Regensburg
Die Stellungnahme des BUND zum Bundesbedarfsplangesetz als PDF zum Download: Stellungnahme BUND Bundesbedarfsplangesetz (pdf, 411 KB)
Stellungnahme_BUND_Bundesbedarfsplangesetz_neu‑1