Auch die zweite Einladung zum Netzausbau-Gespräch am 30.11.2018 ins Bundeswirtschaftsministerium nach Berlin lehnen die eingeladenen Bürgerinitiativen und Bündnispartner des Trassengegner-Aktionsbündnisses gemeinsam ab. Eine zweistündige, unverbindliche Gesprächsrunde mit Minister Altmaier wird dem Thema Netzausbau und Energiewende nicht gerecht. Das Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse hält es für dringend notwendig, die Diskussion um die Notwendigkeit dieser Megaprojekte intensiv fortzusetzen – aber nicht in Berlin, sondern mit den betroffenen Menschen vor Ort.
Minister Altmaier wird aufgefordert, die Netzausbaureise auch in weitere vom Trassenbau betroffene Regionen in Bayern fortzusetzen. Eine Stippvisite nach Nordbayern ist nicht ausreichend, um das gesamte Ausmaß der Zerstörungen durch Planungen zu erfassen, von dem die Menschen betroffen wären, würden die Projekte in die Tat umgesetzt.
Eine Kostprobe des bayerischen Protest-Potentials gab es für Minister Altmaier und eine Busladung voller Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums und der Bundesnetzagentur bei der Netzausbaureise am 16.11.18 in Redwitz, Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld.
Stromtrassen sind Stromtrassen – Stromtrassen sind nicht die Energiewende!
In Redwitz wurde dem Bundeswirtschaftsminister der von zahlreichen Bürgerinitiativen unterzeichnete offene Brief mit einer Ablehnung der Einladung nach Berlin übergeben (siehe Anhang). Damit senden die Bürgerinitiativen ein deutliches Signal: Die aktuellen Beschlüsse zum Energiesammelgesetz und die konstante Verzögerung des Kohleausstieges lassen nicht erkennen, dass die Planungen der Bundesregierung der Energiewende dienen. Eine nicht ergebnisoffene Diskussion um ein Kohlestrom-Netz ist inakzeptabel. Für eine konstruktive Diskussion zum Thema Energiewende stehen die Trassengegner hingegen gerne zur Verfügung.
Nicht selten kam während Altmaiers Nordbayern-Stippvisite der Eindruck auf, die Netzausbaureise sei weniger ein ernsthaftes Bemühen des Wirtschaftsministers, mit den Menschen vor Ort zu sprechen, sondern vielmehr eine Gefälligkeit gegenüber den CSU-Kolleginnen und ‑Kollegen im Bundestag, die sich aufgrund des Wählerdrucks in der Pflicht sahen, pressewirksame Auftritte zu organisieren. Leider wurde im Ergebnis das Bemühen erkennbar, vorrangig die Trasse vor der eigenen Haustür zu verhindern. Bei der Diskussion um die Notwendigkeit zahlreicher neuer Stromtrassen, gerade auch zum Thema Südlink und Südostlink, tut man sich in CSU-Kreisen weiterhin traditionell schwer.
Unfreiwillige „Bushaltestelle“ für Minister Altmaier am Umspannwerk Bergrheinfeld
Besonders beeindruckend war der Protest in Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld, wo mehr als 50 Traktoren den Weg zum Umspannwerk verstopften. Die Demonstranten stoppten den Bus mit den geladenen Gästen, Altmaier musste sich den Fragen der Menschen stellen. Es wurde zugehört, aber die Antworten entsprachen den üblichen Begründungen für den angeblichen Bedarf der Leitungen, wofür der Minister von Seiten der Trassengegner Pfiffe und ein Protestlied (siehe Video) erntete: „Auch in der Nacht und bei Regen braucht man im Süden Strom”, und deshalb benötige man zahlreiche neue Stromtrassen, so Altmaier.
In Bayern geht wieder um das „Ob“
Überzeugendere Worte gab es dagegen vom neuen bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), der Bundeswirtschaftsminister Altmaier auf seiner Netzausbau-Tour begleitete. Er versprach den Demonstranten einen neuen Energiedialog und eine Wiederaufnahme der Gespräche um den Netzausbau-Bedarf, den er in Frage stellt.
Allein dies zeigt: Die von Vorgänger Franz Josef Pschierer (CSU) ausgerufene langjährige Kommunikations-Eiszeit ist beendet, die Trassengegner sind nicht länger Personae non gratae im Wirtschaftsministerium. Es gibt zumindest wieder einen Dialog, und es geht beim Thema Netzausbau wieder um das „Ob“, nicht nur um das „Wie“.
Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse
Offener Brief an vom 16.11.2018
Sehr geehrter Herr Minister, auch die zweite Einladung zum Netzausbau-Gespräch am 30.11.2018 ins Bundeswirtschaftsministerium nach Berlin lehnen die eingeladenen Bürgerinitiativen und Bündnispartner unseres Trassengegner-Aktionsbündnisses gemeinsam ab. Eine zweistündige, unverbindliche Gesprächsrunde wird dem Thema Netzausbau nicht gerecht. In der Einladung schreiben Sie: „Auch Sie begleiten in einer Bürgerinitiative den Ausbau des Stromnetzes aktiv mit.“ Das ist nicht korrekt: Als Bürgerinitiativen verhindern wir den in unseren Augen massiv überdimensionierten Ausbau des Stromnetzes, wir begleiten ihn nicht. Mit Hilfe unserer Proteste seit Anfang 2014 ist es uns gelungen, den Bau der Trassen massiv zu verzögern. Dies streben wir weiterhin an, denn die Verhinderung von Trassen, die unwirtschaftlich, umweltzerstörend und für die Energiewende kontraproduktiv sind, ist ein konstruktiver Vorgang. Beschleunigter Netzausbau = beschleunigter Protest Mit Ihrem geplanten Netzausbaubeschleunigungsgesetz machen Sie einen ergebnisoffenen und konstruktiven Dialog unmöglich: Sie planen schnellere Genehmigungen und schreiben sogar Zwangsmaßnahmen für Grundstücksbesitzer in Ihr Programm, wenn diese nicht schnell genug gehorchen. Dies alles sind schlechte Signale, die einer demokratischen Mitgestaltung widersprechen. Es gibt keine Maßnahmen für einen ausreichenden Gesundheitsschutz, es ist keine Rede von mehr Mitsprache der Betroffenen bei den Netzausbau-Verfahren, ganz im Gegenteil. Eine Beschleunigung des Netzausbaus bedeutet eine beschleunigte Missachtung von Bürgerrechten beim Bau oder bei der Aufrüstung der Stromtrassen. Aus Sicht unserer Protestbewegung ist es deshalb vollkommen unverständlich, warum Sie sich mit Ihrer Vorgehensweise eine „Versöhnung“ der Trassengegner mit den Interessen der Konzernlobby erhoffen, ohne auch nur einen einzigen Schritt auf die Betroffenen zuzugehen. Sie kommen mit leeren Händen. Der Widerstand an den geplanten Trassen wird damit nicht befriedet. Unser Kampf für eine dezentrale Energiewende und gegen den überdimensionierten Netzausbau geht deshalb weiter – beschleunigt. Die Netzausbau-Planung stellt die natürliche Ordnung der Energiewende auf den Kopf Mit der Energiewende hat Ihr Dialog leider nichts zu tun, denn Stromtrassen sind Stromtrassen, nicht die Energiewende. Die Stromnetze seien „das Herz-Kreislauf-System unserer Stromversorgung“, so die Behauptung im „Aktionsplan Stromnetz“. An dieses lebenswichtige Herz-Kreislauf-System sind jedoch noch immer und ohne erkennbare Absicht, dies zu ändern, viel zu viele schmutzige Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke angeschlossen. Das bedeutet: Sie schaffen ein angeblich überlebenswichtiges System und sorgen gleichzeitig höchstpersönlich dafür, dass es intravenös mit lebensbedrohlichen Substanzen vergiftet und verstopft wird. Solange Sie keine überzeugenden Maßnahmen ergreifen, um den Kohleaussteig massiv zu beschleunigen, um damit die auch von der Bundesregierung unterzeichneten Klimaziele zu erreichen, ist und bleibt das geplante Netz ein Kohle- und Atom-Stromnetz, das dem Stromhandel der Energiekonzerne dient und das die dezentrale Einbindung Erneuerbarer Energien behindert. Statt der Förderung regionaler zellularer Strukturen mit Speichern forcieren Sie genau das Gegenteil. Damit entscheidet sich ein deutscher Wirtschaftsminister volkswirtschaftlich und technisch für das Falsche – und setzt dies schneller in die Tat um. Eine nicht ergebnisoffene Diskussion um ein Kohlestrom-Netz ist inakzeptabel. Für eine konstruktive Diskussion zum Thema Energiewende stehen wir hingegen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Dörte Hamann E‑Mail: pressestelle@stromautobahn.de Hintergrund – WER WIR SIND: Das Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse besteht seit Anfang 2014 und wurde ursprünglich gegen den Bau des Südostlink gegründet. Es ist ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen in ganz Bayern, die gemeinsam Aktionen organisieren und fachlich zum Thema Netzausbau zusammenarbeiten. Unser Aktionskonsens ist: Für eine dezentrale Energiewende ohne überdimensionierten Netzausbau! Deshalb schließt der Kampf gegen die Süd-Ost-Trasse auch den Widerstand gegen unnötige Wechselstrom-Trassen mit ein, die den Erhalt der fossilen Energie im Stromnetz fördern und im Widerspruch zum UN-Klimaabkommen von Paris stehen. Das Sankt-Florians-Prinzip lehnen wir ab. Eine sinnlose Trasse kann man zwar verschieben, man kann sie auch vergraben, aber sie bleibt trotzdem sinnlos! |
Download: Offener-Brief-Altmaier-Einladung-Berlin-30.11.2018-Stromautobahn.de (pdf, 229kB)