von: Jörg Diettrich und Ingolf Müller <tensormueller@googlemail.com>
Das Thema ist in aller Munde und manche Leute wollen schon nichts mehr davon hören. Klimafragen und Energiewende werden rauf und runter öffentlich diskutiert. In den alten Medien ebenso wie im Internet. Abstruse Behauptungen, pseudowissenschaftliche Darstellungen, in letzter Zeit aber auch immer mehr seriöse, auf harten Fakten beruhende Aussagen gelangen regelmäßig an die Öffentlichkeit. Als Anhänger dieser Fakten neige ich schon seit Längerem zu pragmatischen Ansätzen, die ich in der Praxis nach bestem Wissen und Gewissen zu verwirklichen versuche. Meine Devise lautet machen statt meckern.
Eines vorweg: Energiewende bedeutet für mich die Ablösung fossiler Energieträger wie Kohle und Öl durch die erneuerbare, unerschöpflich verfügbare Energie aus Wind, Wasser und Sonne; vollständig und weltweit. Dieser Anspruch greift tief in die etablierten Wirtschaftskreisläufe ein. Deren Akteure wehren sich deshalb mit allen Mitteln gegen den damit verbundenen Wandel. Unsere gewählten Volksvertreter werden durch eine sehr mächtige Energielobby massiv beeinflusst, den bestehenden Status quo zu erhalten und dringend notwendige Schritte zu verzögern. Die Folgen ihres Handelns sind den meisten Politikern (den Energielobbyisten sowieso) völlig gleichgültig. Es gilt einzig die Maxime: fette Renditen, hier und heute. Die Beschreibung dieser ziemlich trostlosen Realität ist das Eine, etwas dagegen zu tun das Andere. Widerstand ist auf zwei Wegen möglich; zum Einen durch politisches Engagement gegen den ungesunden Mainstream, zum Anderen aber eben auch durch bewusstes persönliches Handeln.
Solarthermie und Photovoltaik auf dem eigenen Dach
Ich wohne in einem Einfamilienhaus mit einer nach Süden ausgerichteten Dachfläche. Bereits beim Bau des Hauses im Jahr 1996 habe ich eine solarthermische Anlage zur Warmwasserbereitung eingebaut. Die Gasheizung steht damit von Ende April bis Anfang Oktober weitgehend still.
2013 habe ich die Solarthermie durch eine Photovoltaikanlage ergänzt. Eine entscheidende Frage war dabei, ob die neue Anlage unter den gegebenen Bedingungen rentabel ist. Schließlich galt ich nach der Installation vor dem Gesetz als Unternehmer, dem Gewinnabsichten unterstellt werden. Diese Sichtweise hat durchaus ihre Berechtigung. Mit einer Photovoltaikanlage wird die Ware Strom erzeugt. Wenn man die Ware verkauft, erzielt man dabei (möglicherweise) Gewinne, an denen der deutsche Staat viel lieber partizipiert als an denen der großen “systemrelevanten” Unternehmen.
Zum Zeitpunkt der Errichtung meiner PV-Anlage galt eine sogenannte Einspeisevergütung von 16 ct/kWh. Dem stehen 8 ct/kWh gegenüber, für die ich meinen Strom produzieren kann; letztendlich sind das die Abschreibungs- und Wartungskosten für die Anlage.
Erträge und deren Besteuerung
Lt. meinen Statistiken hat die Anlage ca. 5.000 kWh/Jahr erzeugt, was ein absolut realistischer Wert für eine installierte Leistung von 5.500 Watt ist. Die Rechnung für den eingespeisten Strom sieht wie folgt aus:
5.000 kWh (erzeugt) – 1.500 kWh (Eigenverbrauch) = 3.500 kWh (Überschuss)
3.500 kWh * 0,08 €/kWh = 280 € jährlicher Ertrag, der durch Besteuerung weiter gemindert wird. Schon eine grobe Abschätzung liefert die Erkenntnis, dass sich eine Photovoltaik-Anlage ausschließlich über die Einspeisung überschüssigen Stroms nicht binnen ihrer technischen Lebensdauer von etwa 20 Jahren refinanziert. Zusätzliche Erträge lassen sich jedoch durch die teilweise Deckung des eigenen Bedarfs erzielen:
1.500 kWh (Netzstrom) * 0,31 €/kWh = 465,00 €
1.500 kWh (selbst erzeugt) * 0,08 €/kWh = 120,00 €
…ergeben in der Differenz 345,00 eingesparte Euro. Wer jetzt glaubt, hier gilt brutto=netto, irrt. Vater Staat hat auch ein sehr wachsames Auge auf den Eigenverbrauch, denn dieser Betrag erscheint als “Eigenentnahme” auf meiner Steuererklärung, die, folgt man streng der Definition des Begriffes, eigentlich zum Selbstkostenpreis (8 ct/kWh) zu besteuern wäre. Wurde sie auch, bis 2014 jemand auf die Idee kam, es wäre doch gescheiter, statt dessen den gesamten Betrag (345,00 Euro) als “geldwerten Vorteil” zur Bemessung der Steuer heranzuziehen. Es kann sogar sein, dass der Rechnung des Finanzamtes 31 ct/kWh (465,00 Euro) zugrunde liegen. Ich müsste das nachrechnen. Dazu habe ich aber weder die Zeit noch die Lust. Genau deshalb bleiben die “kleinen Fouls”, die unsere fürsorglichen Behörden tagtäglich an uns verüben, ungeahndet.
Der auf mich angewendeten Logik folgend, müsste das Finanzamt auch Kleingärtner zur Kasse bitten. Schließlich ist deren unsoziales Treiben der Eigenversorgung zum Zwecke der Kostensenkung ein ebenso krasser Beitrag zur Unterminierung unseres steuergestützten Gemeinwesens.
Beim Strom sieht es ganz konkret so aus, dass sich der Mondpreis von 0,31 €/kWh zu 75% aus Steuern und Abgaben herleitet. Insofern wäre das Betreiben einer privaten Photovoltaik-Anlage unter den aktuell gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tatsächlich ein herber Schlag ins Kontor des Bundesfinanzministers, würde man die “Eigenentnahme” nicht besteuern. Dass man es tut, empfinde ich zwar als absolut ungerecht, aber immerhin noch als nachvollziehbar. Zu den gesetzlichen Absurditäten später mehr.
Möglichst kurzfristige Amortisation – ist das wirklich alles?
Unter Berücksichtigung der teilweisen Deckung des Eigenbedarfs wird sich meine Photovoltaik-Anlage in ca. 18 Jahren amortisiert haben. Ein gutes Geschäft? Darüber scheiden sich vermutlich die Geister. Auf alle Fälle war die Investition gut für die Umwelt. Es soll ja Leute geben, die ihr Geld lieber in das nächstgrößere Auto “investieren”.
Es gibt aber noch einen anderen ganz wichtigen Aspekt, der bei meiner Anschaffung eine Rolle gespielt hat: Eine eigene Solaranlage bedeutet auch ein Stück Unabhängigkeit. Warum ist mir diese Unabhängigkeit so wichtig? Wenn die Stromversorgung ausfällt, wird es schon nach einem Tag extrem ungemütlich. Mit einem Schlag sind wir wieder im Mittelalter. Unsere ganze Technologie, all die kleinen und großen Helferlein mutieren zum Sondermüll. Ohne Strom, den wir als gegebene Konstante unseres Lebens wahrnehmen, ist alles nichts. Und was wir außer Acht lassen: Unsere Gesellschaft ist auf einen großen flächendeckenden Stromausfall nicht hinreichend vorbereitet. Insofern fand ich es sehr vernünftig, für meine persönliche Lichtinsel in einem durchaus vorstellbaren Meer der Dunkelheit zu sorgen.
Mein nächster Schritt – der eigene Stromspeicher
Unabhängigkeit vom großen Netz erreicht man allerdings tatsächlich erst dann, wenn man einen Stromspeicher in das vorhandene System integriert.
Der Speicher erfüllt prinzipiell zwei Aufgaben: Er liefert zum einen Notstrom bei Ausfall des öffentlichen Netzes. Mit diesem Notstrom werden meine sensiblen Verbraucher, im Wesentlichen Heizung, Kühlung und Kommunikation, für ca. 24 Stunden sicher mit am Laufen gehalten.
Darüber hinaus nimmt er überschüssig erzeugte Energie auf, die er in Zeiten des Mangels bereitstellen kann. Damit verringert sich der Bezug von Strom aus dem öffentlichen Netz auch dann, wenn die Sonne nicht scheint.
Seit Anfang Mai ist der Speicher in Betrieb. Die Auswirkungen sind drastisch. Erste Analysen der Daten lassen den Schluss zu, dass der Grad der Eigenversorgung von 50 auf mindestens 80% steigen wird.
Das Speichersystem ist im Normalbetrieb, wenn also das öffentliche Netz nicht gestört ist, so konfiguriert, dass es den Stromaustausch nach außen minimiert. Das betrifft sowohl den Bezug (31 ct/kWh sind einfach zu teuer) als auch die Einspeisung (8 ct/kWh Erlös < 23 ct/kWh Einsparung bei Eigenverbrauch). Die Konfiguration folgt damit strikt den ökonomischen Rahmenbedingungen: Selbst erzeugter Strom ist (sehr) preiswert, öffentlicher Strom dagegen (sehr) teuer. Der Speicher wird im ständigen Wechsel ge- oder entladen und ermöglicht unter Idealbedingungen die Option, sich komplett vom öffentlichen Stromnetz abzukoppeln.
Der freie Markt in Theorie und Praxis
Ich habe noch ein wenig Platz auf dem Dach für weitere Solarmodule und in meinen Keller würde noch ein zusätzlicher Speicher passen. Da ich nun mal als freier Unternehmer eingestuft bin, müsste doch die sehr naheliegende Idee, mein Geschäft zu erweitern und meinen überschüssigen, batteriegepufferten Strom etwa an meinen Nachbar frei zu verkaufen in unserer freien Marktwirtschaft perfekt funktionieren. Aber die Freiheit des freien Marktes hört halt an der Stelle auf, an der Lobbyisten und der Staat selbst anfangen, ihn in ihrem Sinne zu regulieren. Wenn die Gewinne der Großen und das Steueraufkommen bedroht sind, zerplatzen die üblichen FDP-Sprechblasen.
Neben dieser Pervertierung des freien Unternehmertums folgen die derzeit für den deutschen Strommarkt geltenden Regeln weder den physikalischen Gesetzen noch sind sie in irgendeiner Weise dazu geeignet, die Energiewende voranzutreiben.
Die gesamte deutsche Energiepolitik ist immer noch strikt auf die Behinderung des Eigenverbrauchs ausgerichtet; von der freien Vermarktung selbst erzeugten Stromes gar nicht zu reden.
Auf europäischer Ebene hat sich immerhin einiges getan. So wurde gegen den erbitterten Widerstand Deutschlands (Grüße an Herrn Altmaier) [1], eine neue EE-Richtlinie (RL 2009/28/EG) beschlossen. Besonders wichtig für Eigenerzeuger ist Artikel 21 dieser Richtlinie. Dort heißt es: “Eigenverbrauchter Strom ist durch die Mitgliedstaaten künftig von jeglichen Abgaben, Umlagen oder Gebühren freizustellen.” Damit wären kleine Stromproduzenten (bis 30 kW Erzeugerleistung) endlich den Kleingärtnern steuerlich gleich gestellt. Darüber hinaus würde die speziell deutsche aberwitzige Regelung aufgehoben, nach der ab einer Erzeugerleistung von 10 kW anteilig EEG-Umlage sowohl für selbst verbrauchten als auch eingespeisten Strom abgeführt werden muss. [2] Besonderes Bonmont an dieser Stelle: Es wird derzeit alles getan, um diese 10 kW auf dem Papier schnell zu erreichen. So ist es üblich, die Energiemenge, die ein Solarakku aufnehmen kann (in kWh), zu der tatsächlichenauf dem Dach installierten PV-Leistung (in kW) rein zahlenmäßig hinzu zu addieren. 8 kW Solarleistung + 5 kWh Akkuenergie ergeben demnach 13 (?); was das genau ist, können die Juristen, die sich diesen Unfug ausgedacht haben, vermutlich genauso wenig erklären wie ich. Da ich aber davon ausgehe, dass sie als studierte Leute am Physikunterricht teilgenommen haben, kann ich bei dieser krassen Beugung physikalischer Tatsachen nur noch politisches Kalkül unterstellen. Es lautet schlicht 13 > 10 → wir können abkassieren.
Last but not least verfügt die EU-Richtlinie die Abschaffung des generellen Verbots der Netzdurchleitung selbst erzeugten Stroms durch öffentliche Netze. Damit wird die Einspeisung durch kleine Erzeuger erheblich erleichtert.
Fazit
Die zitierte EE-Richtlinie der EU muss von den Mitgliedstaaten bis spätestens 30. Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Es dürfte selbst für Deutschland schwer werden, sie zu umgehen. Rückenwind für die Energiewende, den wir dringend benötigen.
Auch wenn sie von den Bewahrern des alten Versorgungssystems noch immer als nicht machbar und zu teuer diskreditiert wird: Sie funktioniert bereits. Nach einer Veröffentlichung der Bundesnetzagentur werden gegenwärtig 36,9% der Netto-Stromerzeugung nicht mehr in das Versorgungsnetz eingespeist. Diese “Nicht-Einspeiser” sind demnach Eigenversorger. Sie entlasten die Stromversorgungsnetze auf allen Ebenen massiv. Diese Tatsache wird aber kaum thematisiert, sonst müsste man vielleicht am Ende noch zugeben, dass die schönen großen neuen Stromtrassen gar nicht benötigt werden.
Meine persönliche Entscheidung, aktiv an der Energiewende mitzuwirken, war selbst angesichts der ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen die absolut richtige. Es geht hier schließlich nicht nur um Geld, sondern auch um die Frage, unseren Planeten für künftige Generationen als bewohnbar zu erhalten. Hierbei zählt auch Ihr persönlicher Einsatz.
Quellen/Fußnoten: