Firma Tennet hofft auf mehr Glaubwürdigkeit durch Fürsprache von Bundestagsabgeordneten, muss Werbefilm aber aus dem Netz nehmen
Mit dem neuen Jahr sind die Parteien in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs gestartet. Die Demokratie ist ein kostbares Gut, politische Entscheidungen müssen möglichst unabhängig von Lobbyeinflüssen getroffen werden. Da wirkt es mehr als befremdlich, wenn Bundestagsabgeordnete in einer “Dauerwerbesendung” eines Großkonzerns mit privatwirtschaftlichen Interessen als Fürsprecher eines umstrittenen Projektes wie der Juraleitung dargestellt werden. Dieser inhaltlich unausgewogene und fachlich fragwürdige Beitrag wurde vom Aktionsbündnis Trassengegner in einer Pressemitteilung vom 09.01.2024 scharf kritisiert. Die Firma Tennet musste den Werbefilm bereits offline stellen.
Die Bundestagsabgeordneten Ralph Edelhäußer und Sascha Müller sind nach eigener Aussage unfreiwillig zu “Stars” in dem tendenziösen Stromtrassen-Werbefilm geworden, ohne von den Verantwortlichen der Firma Tennet vorher darüber informiert worden zu sein. Das Vorgehen des Konzerns ist kein guter Stil und – vor allem in Wahlkampfzeiten – peinlich für alle Beteiligten.
Unfreiwillige Fürsprecher?
Bei der Eröffnung des sogenannten “Juraleitungs-Informationszentrums” am 18. November 2024 wurden die Bundestagsabgeordneten Ralph Edelhäußer (CSU, ab Min. 3:20) und Sascha Müller (Bündnis 90/Die Grünen, ab Min. 2:30) von einem Kamerateam befragt, warum sie meinen, dass der Neubau der Juraleitung notwendig sei. Beide Bundestagsabgeordnete treten wieder zur kommenden Wahl am 23. Februar 2025 an.
Das Aktionsbündnis Trassengegner hatte bei den Bundestagsabgeordneten nachgefragt, ob ihnen von der Firma Tennet mitgeteilt worden ist, dass sie im Rahmen einer Werbesendung Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen sollen. Dass sich Müller und Edelhäußer als unabhängige politische Vertreter für die Interessen der Menschen in ihren Wahlkreisen einsetzen, wirkt – vor allem für die zahlreichen vom Trassenbau Betroffenen – im Zusammenhang mit dieser vorliegenden, durch Tennet beeinflussten Darstellung unglaubwürdig und bedarf deshalb der öffentlichen Klärung.
Im Berliner Abgeordnetenbüro von MdB Sascha Müller (Die Grünen) war der Werbefilm unbekannt: “Es gab keine Absprache oder Vereinbarung, dass Herrn Müllers Interview-Äußerungen im Rahmen einer Dauerwerbesendung Verwendung finden sollen.” Wir fragten weiter nach, ob der Bundestagsabgeordnete denn grundsätzlich einverstanden sei, dass er als Werbeträger für Tennet auftrete, immerhin hatte Müller bei der Einweihung des Juraleitungs-Infozentrums in Katzwang ein Grußwort gesprochen und dabei die Juraleitung als notwendig für den Transport von Strom “aus Sonne und Wind” bezeichnet. Den Neubau der Höchstspannungstrasse preist Müller im Werbefilm als ”Neuerung der Netzarchitektur” an. Dennoch beeilte man sich im Abgeordneten-Büro, sich vom Vorgehen Tennets zu distanzieren: “Herr Müller heißt und hieß das Vorgehen nicht gut. Erfreulicherweise wurde das Video nun bereits nach unserer Intervention offline genommen und ist nicht mehr abrufbar”, so die Auskunft in einer Mail vom 09.01.25.
MdB Ralph Edelhäußer (CSU) schreibt in einer Mail vom 08.01.25: “Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung fand eine Anfrage für ein kurzes Interview durch das anwesende Team vom “Franken Fernsehen” statt, der ich nachgekommen bin. Weiteres wurde nicht besprochen.” Seinen Besuch bei der Eröffnung des Juraleitungs-Informationszentrums – einer geschlossenen Veranstaltung -, beschreibt der Bundestagsabgeordnete als notwendig für den “intensiven Dialog von allen Beteiligten”.
Erfreulich ist, dass Herr Edelhäußer sich im Zuge unserer Anfrage dazu bereit erklärt hat, sich auch mit dem Aktionsbündnis Trassengegner inhaltlich auszutauschen. Noch am 9. November 2024 hatte er sich bei einer Demo an die Seite der Juraleitungs-Gegner gestellt. Diesen Aussagen schließen sich die Bürgerinitiativen gerne an: “Ich wünsche euch an dieser Stelle, dass wir diesen Widerstand und auch diese Gemeinschaft, die wir heute hier erleben, dass wir die auch weiterhin behalten.” (Ralph Edelhäußer auf der Demo “Widerstand wirkt” am 9.11.24 in Winkelhaid, Min. 3:20). Ein Gesprächstermin wurde bereits zeitnah vereinbart.
Tennet: Manipulation der öffentlichen Meinung
Dass die Firma Tennet sich als scheinbar gemeinwohl dienlich darstellen möchte, ist nachvollziehbar. Der Druck auf den Übertragungsnetzbetreiber ist hoch, die umstrittenen Stromtrassen-Projekte liegen nicht mehr im ursprünglichen Zeitplan, Informationen zu den genauen Kosten werden vor der Öffentlichkeit verborgen. Die sogenannte “Juraleitung” als unverzichtbaren Teil der Energiewende darzustellen ist nach vorliegender Faktenlage falsch:
Beim Bau neuer Übertragungsleitungen geht es darum, das europäische Netz aufzurüsten, um den grenzüberschreitenden Stromhandel massiv zu verstärken. (siehe Aktionsplan für den grenzübergreifenden Stromhandel)
Die Juraleitung dient laut Netzentwicklungsplan zu relevanten Anteilen dem Stromexport in Richtung Österreich. Dieser hat jedoch seit Planung der Trasse abgenommen. Der ehemals festgestellte Transportbedarf entspricht nicht den aktuellen Entwicklungen. (siehe Gutachten zur Juraleitung von Jarass/Siebels, S. 17)
Insgesamt sind die Planungen für den Übertragungsnetzausbau überholt und für den Ausbau eines resilienten Versorgungs- und Energiewende-Systems ungeeignet.
Juraleitungs-Tunnel in Katzwang: Vergoldetes Luxus-Projekt jenseits aller Vernunft
Ohne eine Reduzierung bestehender Netzausbau-Pläne wird Strom zu einem Luxusgut. Derzeit ist unklar, wie die Kosten für den geplanten Netzausbau aufgebracht werden sollen. Eine aufwändige Untertunnelung wie in Katzwang sprengt jeden vernünftigen finanziellen Rahmen, das Juraleitungs-Projekt muss von unabhängiger Seite überprüft werden. Das Aus der Ampel hat vorerst die Versuche zerschlagen, den überdimensionierten Netzausbau mit staatlichen Subventionen zu unterstützen, um damit die massiv steigenden Netzentgelte einzubremsen.
Im derzeitigen Wahlkampf überbieten sich viele Parteien mit Versprechungen, wie sie die Strompreise niedrig halten wollen. Auf die Idee, an allererster Stelle die veralteten und völlig überdimensionierten Stromtrassen-Neubauprojekte zu reduzieren und damit die Kosten zu senken, anstatt sie zu subventionieren oder zu strecken, scheinen die wenigsten Parteien zu kommen.
Die Bürgerinitiativen im Aktionsbündnis Trassengegner sind sich allerdings sicher: Um klare Antworten und wirksame Strategien für eine sichere und günstige Energieversorgung wird zukünftig keine Bundesregierung herumkommen.
dh/11.01.2025