Grenz­wer­ti­ge Grenz­wer­te, wen schüt­zen sie wirklich?

Von: Karin Stahl (k.stahl@geomatrixx.de)

Das inter­na­tio­na­le Krebs­for­schungs­zen­trum (IARC) der WHO stuf­te bereits im Jahr 2001 nie­der­fre­quen­te magne­ti­sche Wech­sel­fel­der in die Grup­pe 2b als „mög­li­cher­wei­se kan­ze­ro­gen für Men­schen“ ein.
Grund für die­se Ein­stu­fung sind For­schungs­er­geb­nis­se, die einen Zusam­men­hang zwi­schen nie­der­fre­quen­ten magne­ti­schen Wech­sel­fel­dern und einem erhöh­ten Leuk­ämie­ri­si­ko bei Kin­dern sehen. In Stu­di­en von Ahl­horn et al. (2000) und Green­land et al. (2000) wur­de ein erhöh­tes Leuk­ämie­ri­si­ko schon bei einer Magnet­feld­ex­po­si­ti­on von 0,3 – 0,4 µT fest­ge­stellt. Der Grenz­wert für magne­ti­sche Wech­sel­fel­der ist in der 26. BImSchV (Bun­des-Immis­si­ons­schutz­ver­ord­nung) gere­gelt und liegt bei 100 µT.

Auch konn­ten neus­te Stu­di­en einen Zusam­men­hang von Magnet­feld­ex­po­si­tio­nen und einem erhöh­ten Leuk­ämie­ri­si­ko bei Kin­dern weit unter dem der­zeit gel­ten­den Grenz­wert bestä­ti­gen (Khei­fets et al. 2010 und Schütz et al. 2007). Auf­grund der Stu­di­en­ergeb­nis­se ist davon aus­zu­ge­hen, dass magne­ti­sche Wech­sel­fel­der weit unter dem Grenz­wert von 100 µT ursäch­lich für etwa 1 % der Leuk­ämie­fäl­le im Kin­des­al­ter sind.
Die geplan­ten HGÜ-Lei­tun­gen erzeu­gen kei­ne magne­ti­schen Wech­sel­fel­der son­dern magne­ti­sche Gleich­fel­der. Bis 2013 gab es in der BImSchV für die­se Fel­der kei­nen Grenz­wert. Erst im August 2013 wur­de erst­ma­lig ein Grenz­wert für magne­ti­sche Gleich­fel­der in die 26. BImSchV auf­ge­nom­men.
Die Strah­len­schutz­kom­mis­si­on weist aus­drück­lich in der Ein­lei­tung ihrer Emp­feh­lung „Bio­lo­gi­sche Effek­te der Emis­sio­nen von Hoch­span­nungs-Gleich­strom­über­tra­gungs­lei­tungen (HGÜ)“ dar­auf hin: „….., eine Grenz­wert-Rege­lung ist nicht Gegen­stand die­ser Emp­feh­lung“.
Auch schreibt die Strah­len­schutz­kom­mis­si­on in ihrer Emp­feh­lung:
„Umfas­sen­de Unter­su­chun­gen der Gen­ak­ti­vi­tät unter dem Ein­fluss schwa­cher magne­ti­scher Gleich­fel­der feh­len. Unklar ist, ob sich aus den beschrie­be­nen Ein­flüs­sen schwa­cher Fel­der auf den Kal­zi­um­stoff­wech­sel und den Ionen­trans­port gesund­heit­lich rele­van­te Aus­wir­kun­gen ablei­ten las­sen. Die Evi­denz für aus In-Vitro-Unter­su­chun­gen abzu­lei­ten­de gesund­heit­lich rele­van­ter Effek­te magne­ti­scher Gleich­fel­der von HGÜ-Lei­tun­gen ist somit ins­ge­samt als unzu­rei­chend anzusehen.“

Für mich stellt sich die Fra­ge, auf wel­cher wis­sen­schaft­li­chen Grund­la­ge der Grenz­wert für magne­ti­sche Gleich­fel­der fest­ge­legt wur­de, wenn selbst die Strah­len­schutz­kom­mis­si­on „… Human­stu­di­en unter gut kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen“ emp­fiehlt.
Nach mei­ner Ansicht soll dem Bür­ger durch die Ein­füh­rung des Grenz­wer­tes sug­ge­riert wer­den, dass die neue HGÜ-Tech­no­lo­gie für ihn unge­fähr­lich ist, so lan­ge der „Grenz­wert“ ein­ge­hal­ten wird.
Damit wird die Tras­se eine Ver­suchs­stre­cke und die Bür­ger mutie­ren fol­ge­rich­tig zu Versuchskaninchen.

Und selbst wenn Stu­di­en die gesund­heit­li­che Beein­träch­ti­gung weit unter den bestehen­den Grenz­wer­ten bestä­ti­gen, wie dies bei den magne­ti­schen Wech­sel­fel­dern der Fall ist, inter­es­siert das die Ver­ant­wort­li­chen auch nicht.
Unter die­sem Gesichts­punkt stellt sich die Fra­ge, wen möch­te der Gesetz­ge­ber tat­säch­lich mit der Ein­füh­rung von Grenz­wer­ten schüt­zen, die Indus­trie oder die Bür­ger?
Bei einer von der Bun­des­netz­agen­tur garan­tier­ten Eigen­ka­pi­tal­ren­di­te von 9,05 % für Inves­ti­tio­nen in die Strom­net­ze, kann ich nur Mar­tin Luther zitie­ren: „ Auf frem­den Arsch ist gut durchs Feu­er reiten“.

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