von Robert W. Wittmann RobertWWittmann@gmx.de
Montag, 12. März 2018.
Wir sind eingeladen bei Frau Aigner, aber die hat wohl keine Zeit für die geladenen Gäste.
Energie ist in Bayern nicht Chefsache.
Also lauschen wir den Worten der Adlaten. Davon gibt es gleich zwei.
Die haben zum Thema begrüßende Phrasen. Nett. Langweilig. Ideenfrei.
Dann kommt die Moderatorin. Wiedererzählungen, wie bedeutsam die aktuelle Nachrichtenlage sei. Langweilig. Inhaltsleer. Phrasenreich. Jedes Smartphone im Raum hat mehr Content zu bieten.
Wir checken parallel in Echtzeit: Koalitionsvertrag. Eon-Innogy-RWE. News von gestern.
Ups. Moderation schon vorbei. Nix verpasst. Jetzt kommt der erste Vortrag.
Ein Professor aus Bonn.
Haben wir in Bayern keinen, der dazu was sagen kann? Na, dann hat sich sicher jemand etwas dabei gedacht. Oder etwa nicht? Thema: “Deutschlands Zukunft gestalten – aktuelle energiepolitische Herausforderungen”.
Wir erfahren, dass “aktuell” viel besser erklärt werden kann, wenn man zuerst den Blick zurück wagt.
2018 minus 12 ist 2006; plus 12 ist 2030. Stimmt. Der Herr Professor zeigt seine Studie aus 2007.
Die seit immer noch aktuell. Komisch. Bisher hat die niemand auf dem Schirm. Moment: Mein Smartphone schon. Gut 200 Seiten “Endbericht Energieszenarien für den Energiegipfel 2007 (inklusive Anhang 2% Variante) – Für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie”
Oha. Auftragsarbeit. Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln.
- Köln.
- Braunkohle.
- Prognos AG.
- Richtig Kohle!
Mein Nachbar zur linken hat verstanden und kritzelt was auf seinen Block. Ich kritzle auch.
Wir haben schöne Blöcke bekommen. “Taskforce Netzausbau Bayern” bemerke ich auf dem Block des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie. Wissen die eigentlich, dass man Taskforce auch deutsch schreiben kann? Ok, Kampfverband kann man sich unter dem Kommando von Aigner und Pschierer schlecht vorstellen.
Wo ist eigentlich der Herr Pschierer?
Ach ja, der ist ja auch nicht da. Stimmt, das hier ist ihm genauso wichtig wie seiner Chefin.
Hoppla, der Herr Professor spricht weiter. Die Folien sind aber interessant. Hey hat der gerade gesagt, dass die Stromwirtschaft so lange zähneknirschend mitgespielt hat, bis die Erneuerbaren ziemlich genau die Kernkraftwerke ersetzt haben? Nein hat er nicht. Aber aus seiner Folie kann man das mühelos entnehmen.
Warum zum Kuckuck sehe anscheinend nur ich das? Interessant. Notiert.
“Grenzen staatlichen Handelns” meint der Herr Professor damit, dass trotz aller Bemühungen den Strom noch weiter zu verteuern, sich die Erneuerbaren dennoch einen gehörigen Marktanteil erobern. Nein? Stimmt, er hat es anders gemeint. Er bezeichnet ja auch “Netznutzungsentgelte” als Steuern. Steuerbefreiungen für die energieintensive Wirtschaft. Das wäre eine gute Frage. Aha, das scheint nicht nur mir aufgefallen zu sein. Aber jetzt ist noch keine Fragestunde.
CO2 kommt zur Sprache. Wie, wir haben überhaupt noch nichts erreicht? Ja, klar: AKW gegen EE ergibt ja auch kaum eine Änderung beim CO2. Stillstandslinie im Diagramm!
Was müsste denn jetzt getan werden? Die Frage wird nicht beantwortet. Die Klimaziele werden 2020 und 2030 “substantiell verfehlt”. Na dann. Scheint auch beim Bund nicht wichtig.
Wie unwichtig, das kann man auch noch grafisch darstellen. Toll. Nochmal. Klar, es gibt noch eine zweite Folie.
Man müsste – wenn man es ernst nähme – die Anstrengungen erheblich steigern; die Rate im Zubau gegenüber der bisher höchsten in den letzten 12 Jahren um den Faktor 3 bis 4 oder 5. Daran glaubt er selbst nicht. Das sagt er auch. Ehrlich ist er.
Grafisch: Abschaltung aller Kohlekraftwerke und so. Jetzt werden einige entweder wieder wach oder lehnen sich entspannt zurück.
Was sind die “aktuellen energiepolitischen Herausforderungen” dann?
Dazu gibt es auch Antworten: Deutschland ist recht klein. China dagegen viel größer. Stimmt.
Wir hätten kein Recht unseren Nachbarn in der EU in ihr Energiekonzept hineinzuregieren. Zwingen können wir die anderen nicht. Stimmt.
Wie wäre es dann mit Überzeugen durch Vorbild? Vorreiterrolle. Gutes Beispiel? Das sagt er nicht.
Nein, bringt alles nichts, weil der Rest der Welt macht ja etwas anderes.
Smartphone: Newsletter sagt, dass Tesla es gerade ernst meint mit der Serienfertigung von E‑Autos. Die Chinesen auch. PV und Wind sind die günstigste Energie weltweit. Tesla baut im Mega-Watt-Maßstab eine Speicherkombi mit einem EE-Kraftwerk im extremsten Klima der Welt. Was in Australien funktioniert, kann in Bayern möglicherweise noch besser funktionieren. Aber wer will sowas bei X plus 0 in München wissen?
Fragen.
Preiszonen. Aha.
Studienmodellierung. Auch schön.
Windenergie. Minus 1000 Jobs seit der letzten Sitzung hier. Juckt das die bayerische Politik? Offenbar nicht.
Koalitionsvertrag und Gaskraftwerke. E‑Mobilität. PV im Heimbereich. Werden die Fragen von Hr. Wegmann (Solarinitiativen) überhaupt verstanden? Nein. So geht Dialog: phrasenreich weg von den Fragen.
Herr Burzler erklärt stellvertretend für alle Bürgerinitiativen wie gut und wirtschaftlich die dezentrale Gestaltung der Energiewende funktioniert. Neudeutsch Bottom-up statt Top-down.
Was waren jetzt zum Kuckuck nochmal die “aktuellen energiepolitischen Herausforderungen?” Stimmt, wir wollen nicht, die anderen wollen auch nicht und mit EE verdienen die Falschen. CO2 haben wir auch noch nicht eingespart.
Doch besser Kernkraft? Top-Down funktioniert nicht. Alle seine Argumente davor sagen es.
Warum sagt der Herr Professor das dann nicht? 2006? 2018? 2020? 2030?
Keine Ahnung. Die Aigner ist nicht da, der Pschierer auch nicht.
Jetzt Kaffeepause. Wenigstens Kaffee, Kuchen, Catering.
Koffeinpegel stimmt. Auf zum Kick-Off.
Bayern macht einen Wettbewerb “Energie Start-up Bayern 2018”
Hey, das Preisgeld reicht bei Platz 1 gerade mal für den Aufwand. 10.000 Euro. 5.000 für Platz zwei und 2.500 für Platz drei. Haben wir das richtig verstanden: BAYERN richtet das aus und nicht die Stadtwerke von Eichstätt? Das Preisgeld würden die Eichstätter jedenfalls auch hinbekommen.
Ach, jetzt wird erklärt, dass das schon einmal stattgefunden hat. Wer war dabei? Verbesserung der Kühlturmkühlung war ein Preis. Toll. Innovativ. Pro Braunkohle?
Digital soll es jetzt sein. Das Zentrum für Digital ist auch dabei. Der Typ hat offenbar keine Ahnung warum.
Nein, der Typ ist der Vertreter vom Verband der bayerischen Energie und Wasserwirtschaft. „Stellvertretend“ lese ich sei er. Klar der Boss von dem Kasperverein ist ein anderer. Der ist heute auch nicht da.
Ich fange an Bullshit-Bingo auf dem Block “Taskforce Netzausbau” zu spielen. Zwei Seiten.
Es ist noch Platz für ein Strichmännchen und ein paar Smileys.
Kamerateam filmt. Muss wichtig sein, oder? Ich erinnere mich, dass mir die Dame vom Filmteam am Anfang erklärt hat, sie seien nur für dieses Kick-Off da. Damit es pressewirksam publik wird.
Bravo.
Die Moderatorin weckt alle wieder auf. Der nächste Professor kommt vom Fraunhofer Institut. Und er war davor im Beratungsgeschäft tätig – Boston Consulting. Und er sei strategischer Berater der Bundesregierung.
Der Herr Professor fühlt sich sichtlich geschmeichelt. Ja, er erklärt nochmal wie stetig das Geld aus einem Sonderforschungstopf der Regierung sprudelt. Früher bei Boston, jetzt bei Fraunhofer.
Eigentlich doch ziemlich ähnlich.
Er wählt ein Bild: “Die Seilschaft der Energiewende”
Hä? Ich hätte schwören können, er hat ‘Die politisch wirtschaftlichen Seilschaften in der Energiepolitik’ gesagt. Schönes Bild. Und so treffend.
Aber tatsächlich sagt er, dass dort, wo jetzt die erneuerbaren Energien ganz ohne politischen Dirigenten aufspielen, sie das zu den geringsten Kosten tun.
Warum hat dann der vorherige Professor behauptet, dass die überall gut zugängliche Kohle immer noch das Billigste sein soll? Auch für Afrika! Ach klar, die Studie vom einen war ja auch auf Minus 12 bezogen. 2006 war das noch so in Köln – Garzweiler.
Schöner Einschub:
Die beiden Adlaten hätten ja am Anfang erklärt, dass Bayern jetzt gegen den Markt mindestens zwei neue Gaskraftwerke bauen wird. Dazu sei über die EU das nötige Plazet für diese Marktverzerrung und die dazu nötige Direktsubvention ergangen.
Das dient dazu, die Phase zwischen Ende der AKW und dem Ausbau des Stromnetzes zu schließen.
Gute Info, das hatte nicht nur ich aus den vielen Phrasen am Anfang gar nicht entnommen. Notiert.
Aber jetzt, jetzt stehen Speicher doch vor dem breiten Durchbruch!?
Warum sagt das der Herr Professor nicht? Ach, er hat der Bundesregierung schon etwas anderes empfohlen: Netze und Netzausbau seien die Grundlage, um strategisch flexibel zu bleiben.
Jetzt wieder Fragerunde.
Herr Dr. Weber vom Energiebündel fragt, warum im Szenar keine Speicher berücksichtigt wurden? Nur mit Speichern lässt sich die zeitliche Diskrepanz zwischen Erzeugung und Bedarf ausgleichen. Netze verschieben nur zeitgleich anderswohin.
Ich schließe mich an und stelle suggestiv in den Raum, dass jetzt faktisch Speicher das geeignete Mittel sind, damit Deutschland strategisch flexibel reagieren kann.
Als Antwort erhalten wir, dass Speicher immer noch zu unrentabel seien. Außerdem gibt es einen Trade-Off zwischen vermiedenem Netzausbau und dem dann in Bayern erforderlichen Ausbau von erneuerbarer Energie. Klar: Wer keine HGÜ-Trassen will, der braucht viel mehr EE in Bayern. Streiche 10.000 Masten oder tausende Hektar gerodeten Wald und baue 1000 neue Windräder und mehrere tausend dezentrale Speicher und PV-Anlagen in Bayern.
Ziemlich beunruhigend, wenn man bedenkt wem das eine gehört und wem das andere.
Noch viel beunruhigender, wenn man sich vorstellt, man würde die Finanzmittel für das eine tatsächlich für das andere – also die Energiewende in Bayern – verwenden.
Billiger wäre es auch noch. Und nachhaltiger. Und dezentral. Und langfristig billig. Und wettbewerbsfähig. Und innovativ.
Und CO2-mindernd. Und repräsentativ.
Moderation. Schlusswort.
Monolog der Ideenlosen.
Mathematisch: X minus X = 0