Von: Karin Stahl, Baubiologin IBN <k.stahl@geomatrixx.de>
Nach dem Atomunglück in Fukushima sind im Jahr 2011 in Deutschland 8 Atomreaktoren abgeschaltet worden. Trotz dieser Abschaltung lag der Stromüberschuss im Jahr 2011 bei 6 Terawattstunden (TWh).
Und damit nicht genug: Im Vergleich zum Jahr 2011 vervierfachte sich der deutsche Stromexport im Jahr 2012. Nach Angaben der vier großen Übertragungsnetzbetreiber wurden im Jahr 2012 über die europäischen Stromnetze 43,8 TWh nach Deutschland eingeführt. Im gleichen Zeitraum exportierte Deutschland 66,6 TWh, daraus ergibt sich ein Überschuss von 22,8 TWh. Der Wert der Stromausfuhren betrug 3,7 Milliarden Euro, die Einfuhrwerte lagen bei 2,3 Milliarden Euro. Somit erwirtschaftete Deutschland mit der Handelsware Strom 2012 einen Überschuss von 1,4 Milliarden Euro.
Im Jahr 2013 stieg der deutsche Stromexport erneut auf ein neues Allzeithoch. Nach den Daten der europäischen Netzbetreiber erzielten die Stromversorger im Jahr 2013 einen Stromexport-Überschuss in Höhe von knapp 34 TWh. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine weitere Steigerung um 47 Prozent.
Gleichzeitig erzeugen immer mehr Gemeinden, Unternehmen sowie auch Privathaushalte, den eigenen Strombedarf vor Ort und damit dezentral. Die Übertragungsnetzbetreiber schätzen für 2014 den Anteil von selbst erzeugten und verbrauchten Strom an der gesamten deutschen Erzeugung auf etwa 9 Prozent – Tendenz steigend.
Das bedeutet für die Energieversorger weniger Umsatz und damit weniger Gewinn im Inland. Deshalb suchen die großen Versorger auch in Zukunft ihr Heil im Stromexport. Darin dürfte der wahre Grund für die geplante neue Stromtrassen liegen: große leistungsfähige Transportkapazitäten quer durch das Land, denen man das Mäntelchen der Energiewende umlegt und die deshalb der Bürger bezahlen darf bzw. muss. Mehr als ein Mäntelchen ist es nicht, denn in Deutschland stieg die Braunkohleverstromung im Jahr 2013 mit 162 TWh auf den höchsten Stand seit 1990.
Hierzu stellt Dr. Norbert Allnoch, Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR), fest: „Die Flutung des deutschen Marktes mit Kohlestrom führt bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energien zu einem hohen Stromexport-Überschuss und treibt gleichzeitig den Kohlendioxid-Ausstoß unnötig um rd. 30 Millionen Tonnen in die Höhe.“
Vollkommen richtig. ..
Ich halte das Thema Stromexporte auch für ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit dem Leitungsbau. Wir sollten aber das auch nicht überbewerten. Schaut man nämlich auf die gesamte Stromerzeugung in Deutschland, dann kommt man auf über 600 TWh im Jahr. Da macht der Export-Überschuss von 34 TWH gerade ca. 5% der Stromproduktion aus.
Im Zusammenhang mit dem Exportüberschuss scheint mir aber ein anderer Aspekt wichtig:
Viel Strom wird exportiert, wenn in südlichen Nachbarländern eine erhöhte Stromnachfrage besteht, wie dies z.B. im Februar 2012 wegen des strengen Winters der Fall war (siehe Berichte der Bundesnetzagentur im Internet). Wegen der hohen Preise versuchen natürlich gerade auch Kohleverstromer aus dem Osten Deutschlands zu verkaufen. Der Preis für den ausländischen Großkunden ist dann attraktiv und im Ausland werden teure Kraftwerke in dieser Zeit zurückgefahren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dies für ein Unternehmen ein sinnvolles Verhalten. Das Problem ist aber, dass Bedarfsrechnungen in Deutschland für den künftigen Transportbedarf von Ostdeutschland nach Bayern diesen erhöhten Bedarf nach der geltenden Rechtslage zu berücksichtigen haben. So kann man im Netzentwicklungsplan 2013 auf S. 46 nachlesen: „Da Kohlekraftwerke zu den Erzeugungseinheiten mit geringeren Erzeugungskosten gehören, sind eine gleichzeitige hohe (regionale) Windeinspeisung und eine hohe Einspeisung aus Kohlekraftwerken durchaus möglich. Sind im Ausland teurere Kraftwerke im Einsatz, werden diese bis zur vollständigen Ausnutzung der Handelsmöglichkeiten ebenfalls reduziert.“
Prof. Jarass fragt in diesem Zusammenhang, warum die dafür benötigten Leitungen vom deutschen Stromverbraucher bezahlt werden sollen.
Man könnte auch fragen, ob für das Gewinninteresse von in- und ausländischen Stromhandelsunternehmen und Energiekonzernen hunderte von Kilometern an neuen Höchstspannungsleitungen durchs Land gezogen werden sollen!
Die Zusammenhänge sind etwas anders.
Bis 2003 war der deutsche Stromhaushalt einigermaßen ausgeglichen, d.h. Stromerzeugung und –Verbrauch hielten sich die Waage, das verlangt ein stabiles Netz. Danach sind die Stromüberschüsse gestiegen mit Ausnahme von 2011, das Netz wurde instabil.
Wo liegt die Ursache für den immer größer werdenden Überschuss?
Da die Erneuerbaren wie Wind- und Photovoltaikanlagen unregelmäßig Strom erzeugen manchmal viel, manchmal überhaupt keinen, also nicht dem Verbrauch angepasst sind, kann dieser Strom auch nicht zur Deckung der Grundlast hergenommen werden, denn dieser Strom muss regelmäßig und gleichmäßig im Netz vorhanden sein. Es sind z. Z. konventionelle Kraftwerke wie Kohlekraftwerke und AKWs, die diese Grundlast absichern, diese Kraftwerke eignen sich aber überhaupt nicht zum Regeln der Erneuerbaren, denn sie lassen sich nicht schnell rauf und runterfahren, sie sind sehr träge, deshalb lässt man sie durchlaufen. Der Strom aus Wind und PV-Anlagen wurde ungeregelt zusätzlich in die Leitungen geschoben, manchmal viel manchmal wenig, die Netze wurden destabilisiert, unser Netz, benötigt aber eine Frequenz von 50 Hertz und eine gleichbleibende Spannung, das ist Voraussetzung für Stabilität. Was hat man also gemacht, man hat den überschüssigen Strom über die Kuppelstellen in die Netze unserer Nachbarn geschoben. Nun wurde teilweise deren Netz instabil, daraufhin hat z. B. Polen mit Phasenschiebern gedroht.
Die Forderung nach dem gigantischen Netzausbau mit dem riesigen Fassungsvermögen, wurde immer intensiver. Auf diese Netze warten mittlerweile Stromanbieter aus 34 Ländern um ihren Strom dort einzuspeisen, unser ungeregelter Strom aus Wind- und PV- Anlagen kann sich in dem sogenannten Stromsee dann unter den riesigen Massen besser verteilen und destabilisiert nicht mehr das Netz. So ähnlich argumentieren die Netzbetreiber.
Ja wir haben durch die Erneuerbaren für den Netzbetreiber das Deckmäntelchen geliefert unter dem sich die Notwendigkeit dieses gewaltigen Netzausbaus verkaufen lässt.
Dabei müssen die Erneuerbaren nur zusammengeschalten werden mit Gaskraftwerken, die den Vorteil haben, dass man sie schnell rauf und runter fahren kann und dadurch in der Lage sind die Unregelmäßigkeit der Einspeisung auszugleichen. Dieses Paket könnte auch die Grundlast abdecken, das heißt, es können mehrere Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, dann haben wir auch keine Überschüsse mehr und keine Netze werden mehr destabilisiert.
Das ist aber alles nichts Neues, das wissen sie alle: Netzbetreiber, Energiekonzerne, Bundesnetzagentur, Bundesministerium für Wirtschaft usw.
Warum soll aber unbedingt dieser gewaltige Netzausbau in Deutschland trotzdem umgesetzt werden?
Die Antwort: Strom aus Gaskraftwerken ist an der Strombörse zu teuer.
Es geht um den europäischen Strommarkt, der europäische Strommarkt wurde 1997 liberalisiert. Dadurch wird in das Europäische Verbundnetz nach dem Merit Order Effekt eingespeist, das heißt: zuerst speist der billigste Anbieter ein, das kann auch Atomstrom sein, dann der nächst teure, dann wieder der nächst teure usw. bis die Nachfrage gedeckt ist, der Anbieter mit Strom aus Gaskraftwerken kommt eben wegen dem hohen Preis (Grenzkosten) selten zum verkaufen. Teilweise decken die Einnahmen nicht einmal mehr die Unkosten. So kommt es, dass Gaskraftwerke abgeschaltet werden, anstatt dass welche gebaut werden, um den großen Ausbau von ungeregelten Wind- und PV Strom zu regeln.
Daraus ist zu schließen, dass die Stromerzeugung aus Wind und Sonne nicht kompatibel mit dem Europäischen Strommarkt ist.
Die erneuerbaren Energien brauchen einen regionalen Netzausbau, neben den Gaskraftwerken gibt es auch noch andere Regelmöglichkeiten und das sind die neueren Biogasanlagen, Blockheizkraftwerke, Pumpspeicherkraftwerke, Kleinwasserkraftwerke usw.. Solche verschiedenen Regelkraftwerke werden dann über dieses regionale Netz mit Windkraft- und PV-anlagen zusammengeschalten, das gesamte „Team“ ist dann fähig die Grundlast abzudecken, allerdings müssen diese Regelkraftwerke in der Lage sein, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, den in diesem Moment benötigten Strombedarf zu decken.
Hier gibt es schon viele Ansätze auch ein Forschungsprojekt gibt es, das heißt Kombikraftwerk 2, oder sogenannte virtuelle Kraftwerke, hier hat RWE mit Siemens ein Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen und ist mit dem Strom damit sogar an die Leipziger Strombörse gegangen. Aber alle haben sie wegen den zu erwartenden Gewinnen trotzdem noch zusätzlich den gigantischen Netzausbau im Visier. Dabei wäre das jetzige Netz, wenn darin gleichmäßig geregelter Strom fließt und keine Überschüsse produziert werden nicht mehr instabil.
Letzte Woche habe ich im Radio gehört, dass die EU Kommission eine Stromüberproduktion bemängelt.
Noch etwas zum Preis:
Nun hat Deutschland die Sonderregelung, dass momentan der Strom aus erneuerbaren Energien zuerst in das Netz eingespeist werden darf. Wenn es nun einmal richtig stürmt, dann gibt es so viel Windstrom, dass er am sogenannten Spotmarkt zum negativ Preis angeboten wird, das bedeutet, wenn das Ausland diesen Strom abnimmt, bezahlt Deutschland dafür. Das ist im letzten Jahr ein paar Mal passiert, Österreich hat dann anscheinend den Strom abgenommen, Geld dafür kassiert und dann seine Pumpspeicherwerke damit aufgefüllt und als der Strompreis wieder gestiegen war, den gespeicherten Strom bei Nachfrage für teures Geld wieder an Deutschland verkauft. Umso weniger Geld am Strommarkt für den Strom aus Erneuerbaren erzielt wird, um so größer ist die Differenz zur garantierten Einspeisevergütung, diese Differenz ist das, was der deutsche Stromverbraucher zahlen muss, also steigt der Strompreis für den deutschen Verbraucher, wenn der Preis am Strommarkt billiger wird.
Ich habe noch den Link der Tabelle Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträger von 1990–2013 angehängt.
http://www.ag-energiebilanzen.de/
(Strommixtabelle selektieren und als PDF Datei öffnen)
@Renate und Fritz Federl
Ihr habt beide Recht, soweit ich das beurteilen kann. Die Sache kann man sehr komplex betrachten aber auch sehr einfach.
Die Frage nach den Leitungskosten wurde auch in München am 10.11. gestellt. Als die Bürgerinitiativen in München bei Ministerin Aigner waren, meinte der Herr von der Bundesnetzagentur, Zerres, doch allen Ernstes, dass auch das europäische Ausland sich an den Leitungskosten beteiligt, sofern Strom exportiert wird. Das festzustellen sei aber nicht so einfach. Mit dieser Aussage ist den Ausreden der Konzerne doch Tür und Tor geöffnet. Das ist ein weiterer Grund für mich, die Neutralität der Bundesnetzagentur anzuzweifeln, was ich in München auch kundtat.
Bringen wir es mal auf den Punkt: Die Konzerne, die alle auch im Ausland sitzen, verdienen am Stromhandel und beteiligen sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht an den Kosten des Netzausbaus. Der Netzausbau wird von fast allen Seiten proklamiert, die unmittelbaren Nutznießer, die ÜNB nämlich, müssen sich noch nicht mal die Hände schmutzig machen, da sie zahlreiche Stellvertreter haben, die in den Arbeitsgruppen des Energiedialogs ihre (Schein)Argumente vorbringen und so als Multiplikatoren fungieren. Die oberflächliche Presseberichterstattung dazugerechnet entsteht der Eindruck von einem breiten Konsens pro überdimensioniertem Netzausbau.
Ein Blackout wegen Netzüberlastung kann niemals sicher berechnet werden, sonst hätten wir das Problem nicht.
Ich sage jetzt einfach mal, dass wir die HGÜ Süd Ost oder Korridor D oder wie auch immer sie genannt wird, nicht brauchen. Mit der Etablierung eines Kapazitätsmechanismus zugunsten der Gaskraftwerke, die sich genauso leicht begründen lässt wie die bereits bestehende Bevorzugung der Braunkohle (politisch gewollte, billige Emissionszertifikate) wäre die Entscheidung gegen die HGÜ Süd Ost gefallen.