Von: Hubert Galozy (bi-leinburg@stromautobahn.de)
Der politische Traum von Bürgerakzeptanz für HGÜ-Leitungen trifft auf die technische und sozialpolitische Realität im Trassenland:
Das von Aigner und Seehofer hochgelobte Ergebnis des Energiegipfels am 01.07.15, nach dem nun u.a. die Süd-Ost Passage auf bestehenden Gleichstromleitungen – aufgeständert – bzw. erdverkabelt umgesetzt werden soll, hat bei uns keine Euphorie ausgelöst. Unverständlich für Aigner und Seehofer. Wieder einmal wird klar, weder beim Energiedialog noch bei Treffen noch aufgrund von Demonstrationen hat man uns ernst genommen, geschweige denn zugehört.
Am 31.1.15 in Pegnitz hatten wir Gabriel schon vor “faulen Kompromissen” gewarnt. Einige Monate später müssen wir das auch Seehofer nochmal erklären. Eigentlich wollte er uns die Vorzüge des Ergebnisses des Energiegipfels erläutern, dazu werden in ausgewählten Landkreisen auch fleißig MdLs und MdBs vorgeschickt, um die Umsetzung auf bestehenden Leitungen und Erdverkabelung anzupreisen. Im Nürnberger Land versucht es der Ministerpräsident erst gar nicht. Weder das dort vorhandene CSU-Personal noch die unbelehrbaren Bürger vor Ort lohnen wohl ein Engagement.
Zu Recht, denn bei genauerer Betrachtung fällt das Ergebnis als Flop in sich zusammen:
– Bestehende Leitungen nutzen – aufständern: Bei der Ertüchtigung des Ostbayernrings muss z.B. wohl neben der alten Leitung erst parallel die Neue gebaut werden. Dann werden die Seile umgehängt oder neu gespannt. Erst dann wird die alte Leitung abgebaut. Eine Aufsattelung von Gleichstrom auf eine Wechselstromleitung, wie es laut Energiegipfel geplant ist, ist zudem offensichtlich technisch nicht einfach. Eventuell muss diese parallel verlaufen bzw. einen gewissen Höhenabstand der Leiterseile aufweisen, was Seehofer wieder zu den ungeliebten “Monstertrassen” bringt, die er doch so gerne vermeiden möchte.
– Erdverkabelung: soll jetzt laut Wirtschaftsministeriums-Staatssekretär Pschierer die Regel werden, Freiluftleitungen die “Ausnahme”. Diese Märchen kommen im CSU-Vorstand gut an, entbehren jedoch jeglicher Realität. Die Kosten für alle in Deutschland geplanten HGÜ-Leitungen betragen geschätzt 22. Mrd. Euro. Das Ergebnis des Energiegipfels vom 01.07.15 ergab eine Budgeterhöhung von 11 Mrd. Euro oder 50% für Erdverkabelung. Nun ist breiter Konsens, dass Erdverkabelung mindestens das Dreifache von Freiluftleitungen kostet. Das wären bei einer kompletten Erdverkabelung 44 Mrd. Mehrkosten oder eine Steigerung von 300%. Statt benötigten 44 Mrd. werden also nur 11 Mrd. zur Verfügung gestellt. Da einige Abschnitte wie der Wahlkreis von Sigmar Gabriel (Suedlink) oder der letzte Teil der Süd-Ost Passage, komplett erdverkabelt werden sollen, wird viel für die weiteren Streckenabschnitte per Erdverkabelung nicht mehr übrigbleiben.
Bezahlen darf das alles sowieso wieder der Steuerzahler (9,05 % Eigenkapitalrendite für den Bau der HGÜ-Leitungen aus dem Staatssäckel der Bundesnetzagentur) und der Stromkunde über die Netzentgelte.
Wir wollen keine HGÜ-Leitungen, nicht bei uns, nicht woanders, nicht in Freiluft und nicht als Erdverkabelung. Wir wollen keine Gewinnmaximierung aus dem europäischen Stromhandel für E.ON, RWE und Konsorten mit billigem und dreckigem Atom- und Kohlestrom und 9,05% Eigenkapitalrendite für die Übertragungsnetzbetreiber (ehemalige Töchter der Energiegroßkonzerne; RWE ist immer noch zu 25,1% an Amprion beteiligt und wird von ehemaligen RWE Managern geleitet), deren Eigentümer nach Rendite gieren und jede moralische Verantwortung mit Füßen treten. Das ist unredlich!
Wann werden uns die Politiker verstehen und den Wirtschaftslobbyisten so gegenüber treten, wie wir das von gewählten Volksvertretern erwarten dürfen?
Wenn diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, reden wir auch wieder mit Aigner und Seehofer und zeigen gerne auf, wie wir die Energiewende dezentral und mit Wertschöpfung vor Ort und nicht als Versuchskaninchen unter Transit-HGÜ-Leitungen, schaffen wollen und können.
Das Zauberwort heißt “Bürgerakzeptanz”, die aber mit fragwürdigen Methoden erreicht werden soll. Allerorts werden Dialogrunden initiiert, mit dem bereits vorgefassten Ergebnis, dass die Trassen erforderlich sind. Die Politiker verpacken nun die Inhalte in hübsche Päckchen, stellen das “Wie” und das “Wo” der Trassen in den Vordergrund und schon können die Bürger untereinander übereinander herfallen. Klar, dass jeder Abgeordnete seinen Wahlkreis verschont wissen will, da hört die Solidarität an der Wahlkreisgrenze auf. Das dürfen wir Bürger aber nicht zulassen, wir sind der Souverän und das Thema wird mit Sicherheit im nächsten Wahlkampf aktuell sein.