Infoveranstaltung in Freystadt am 15.4.2014
Eingeladen hatte die Interessensgemeinschaft “Region Neumarkt gegen Megaleitung”, die gebildet wird vom Landkreis NM und den zugehörigen Kommunen. Ziel war die Information der Bevölkerung durch den hochkarätigen Wissenschaftler Prof. Lorenz Jarras und Rechtsanwalt Anton Hess, die mit ihren Vorträgen untermauerten: Der geplante Bau der Höchstspannungsrasse Süd-Ost würde die Energiewende verhindern und ist verbunden mit einer massiven Einschränkung demokratischer Mitwirkung und gerichtlicher Kontrollmöglichkeiten.
Mehrfach wurde von den Veranstaltern vertreten, dass dies als ein parteiübergreifendes Projekt zu sehen ist, um effektiv wirken zu können. Außerdem warnte Willibald Gailler, 1. Bürgermeister der Stadt Freystadt, es wäre fatal, aufgrund neuester Nachrichten über neue Trassenvarinten unseren Widerstand ermüden zu lassen und nannte als Ziel, eine Stärkung der “größten Bürgerbewegung der letzten Jahrzehnte in Bayern”.
Professor Lorenz JARRAS von der Hochschule RheinMain Wiesbaden grenzte sich klar von Äußerungen führender Politiker ab, dass die Stromtrassen für die Integration der Erneuerbaren Energien erforderlich seien. Im Gegenteil: Er sieht den entscheidenden Ablehnungsgrund der geplanten Trasse nicht darin, dass einzelne negativ betroffen sind, sondern dass der Bau das Ende der Energiewende bedeuten würde.
Dazu analysierte er die verschiedenen Begründungen fr ihren Bau: Während die Übertragungsnetzbetreiber im Netzentwicklungsplan erklären, es müssten Wege geschaffen werden, Erneuerbare Energien aus Thüringen und SachsenAnhalt nach Bayern weiterzuleiten, spricht die Bundesnetzagentur(BNA) nur von Ersatz für wegfallenden Atomstrom, was heißt: “Das AKW Gundremmingen wird ersetzt durch ostdeutsche Braunkohlekraftwerke.” Ähnlich laufe es mit dem AKW Philippsburg. So wird der Widerstand gegen die Leitungen damit ins Aus gestellt, dass er den Atomausstieg verhindere.
Zahlen dazu habe er von der BNA “herausgeklagt”. (wieder ein Beispiel für die mangelnde Transparenz des ganzen Vorgangs). Er analysiert daraus als Hauptproblem: Da der Verbrauchsvorrang, d.h. die Abnahmeverpflichtung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen für Erneuerbare Energien, 2010 von vielen umbemerkt aufgehoben wurde, kommt es zu einer Stromüberproduktion in Zeiten von Starkwind, in denen gleichzeitig Kohlekraftwerke unverändert weiterlaufen. Da im Energiewirtschaftsgesetz eine Abnahmegarantie für Kohlestrom vorgegeben ist (weil ein Weiterlaufen dieser Kraftwerke betriebswirschaftlicher ist), müssen andere Wege gesucht werden, den nicht benötigten Strom in diesen Spitzenzeiten weiterzuleiten: der Bau von Stromtrassen, die den Strom ins Ausland transportieren. So bleiben die Kohlekraftwerke rentabel, weil sie auch dann ihren Strom verkaufen können, wenn er in Deutschland nicht benötigt wird. Dieser Konsens war möglich, weil von seiten der Windstromproduzenten kein Widerspruch zu erwarten ist, solange sie ihren Strom ungehindert einspeisen können. Allerdings schädigt dieser Vorgang den Erneuerbaren Energien indirekt sehr, indem nämlich der Börsenpreis in diesen Situationen des Stromüberangebots stark sinkt und in Folge die EEG ‑Umlage (die immer den Unterschied des garantierten EEG-Abnahmepreises zum aktuellen Börsenpreis ausgleicht) – und somit im Bumerang als Gegenargument gegen die Erneuerbaren Energien benutzt wird.
Weiterhin kritisiert Prof.Jarras, dass das Bundesbedarsplangesetz auch für einmalige Windspitzen an der Nordseeküste keine Abregelungen vorsieht, sondern auch dafür Netzkapazitäten einplant. Neuere Ansätze dazu im Koalitionsvertrag und in Initiativen der BNA müssten dringend in das Gesetz einbezogen werden.
Auch finanziell deckt er einen Methodenfehler auf: Da im aktuellen Netzentwicklungsplan vorgesehen ist, dass immer der Strom mit den niedrigsten variablen Kosten zuerst eingespeist wird, bekommt grundsätzlich Kohlestrom Vorrang vor Gasstrom. In diesen Kosten wird aber nicht berücksichtigt, dass für die Nutzung des Kohlestrom enorme Kosten für Übertragungsleitungen entstehen, weil diese nicht dem Kohlekraftwerk zugerechnet werden, sondern von den Stromverbrauchern zu tragen sind.
Damit verbunden ist ein weiterer wirtschaftlicher Irrsinn: Während in der Öffentlichkeit die Deckelung des Ausbaus von Erneuerbaren Energien mit deren Kosten begründet wird, soll den Stromverbrauchern gleichzeitig Kosten für Stromtrassen aufgebürdet werden, mit denen die Großkonzerne ihren Kohlestrom zuverlässig (ins Ausland) verkaufen können.
Sein Fazit: “Im Energiewirtschaftsgesetz sollte festgelegt werden, dass zukünftig die Netze nicht mehr für unnötige Kohlestromeinspeisung und für seltene Windenergiespitzen ausgebaut werden und damit nicht mehr von den Stromverbrauchern zu bezahlen sind. Wer einen derartigen Netzausbau fordert, sollte auch die resultierenden Kosten tragen.”
Genauere Ausführungen in der Kurzzusammenfassung des Vortrags hier: 15.04.2014 Freystadt – Vortrag Prof. Jarras
Rechtsanwalt Anton Hess ist als Anwohner persönlich von der Trassenplanung betroffen und unterstützt die Stadt Freystadt juristisch. Er will alle Menschen aufrütteln, da alle nicht nur als Anlieger geographisch vom Bau der Trasse, sondern als Bürger vom Abbau an Rechtsstaatlichkeit betroffen sind. Nach seinen auch für Nichtjuristen gut verständlichen Ausführungen wurde nach Fukushima für den Netzausbau eine Form vorgegeben, die rechtliche Kontrollmöglichkeiten erheblich einschränkt.
Verdächtig schnell wurde das Gesetz für den Netzausbau bereits wenige Wochen nach Fusushima (aus der Schublade der damaligen Regierung ?!) vorgelegt und bereits 3 Monate später ohne öffentliche parlamentarische Diskussion beschlossen, während andere vergleichbare Gesetze Jahre brauchen. Indem danach wichtige Planungen im Bedarfsplangesetz in Gesetzesform gegossen sind, sind sie gerichtlich nicht mehr anzufechten. Dabei sind sonst übliche Informationspflichten gestrichen, Einspruchsfristen auf einen Monat beschränkt, der Rechtsschutz ist auf eine Instanz beschränkt und das erst im Rahmen der Planfeststellungsphase, in der sich die BNA bereits auf wesentliche Tatsachen festgelegt hat, sodass keine Klagemöglichkeit gegen die bindene Grobtrassenfestlegung in der vorangehenden Bundesfachplanung besteht. Entsprechend ist für die konkreten Netzausbauplanungen kein parlamentarischer Willensbildungsprozess vorgesehen, der Bundestag wird darauf reduziert, fertige Pläne von der BNA (vorgelegt von den Netzbetreibern!) abzunicken – wie im Fall der HGÜ-Trasse Süd-Ost im Sommer 2013 geschehen.
Als “evident verfassungswidrig” bezeichte Anton Hess schließlich auch, dass bereits vor dem Planfeststellungsbeschluss eine vorzeitige Enteignug ermöglicht worden ist.
Nach genaueren Ausführungen zu seinen rechtlicher Schritten mit der Stadt Freystadt schloss er mit dem ermutigenden Zitat von Leonardo da Vinci: “Jedes Hindernis lässt sich durch Beharrlichkeit beseitigen.”
Der Vortrag von Rechtsanwalt Anton Hess wird von ihm noch überarbeitet und dann ins Netz gestellt: www.region-neumarkt-gegen-megaleitung.de oder www.stromautobahn.de.
Mit dieser Veranstaltung übernahmen die offiziellen demokratischen Vertretungen einen guten Teil an Arbeit, der anderorts nur oder übermäßig an den BI’s hängt. Dies kann ein entscheidender Baustein sein, um den erforderlichen Widerstand auf Dauer leisten zu können. Dass die Halle längst nicht voll war, zeigt erste Ermüdungserscheinungen bei den Bürger/innen – ein großes Problem, wenn die Aufgaben so an immer weniger ehrenamtlich Aktiven hängen. Auch die effektive Verbindung über die Parteigrenzen gäbe dem Widerstand enorme Kraft – sie wurde bei dieser Veranstaltung stellenweise angemahnt, in anderen Orten gelingt sie kaum.
Schließlich bleibt der Aufruf, der in allen Beiträgen wiederholt wurde: Ein Widerstand gegen den Bau dieser Trasse und den Abbau von Grundrechten braucht einen langen Atem und Zusammenarbeit aller!