Kom­mu­ni­ka­ti­on beim Strom­netz­aus­bau – Gere­det wird nur mit den Zustimmenden

Es ist eine para­do­xe Situa­ti­on, und sie wie­der­holt sich seit Beginn der “Tras­sen­auf­stän­de” Anfang 2014: In den Regio­nen, in denen der Wider­stand gegen neue Strom­tras­sen-Pro­jek­te herrscht, wird sei­tens der ver­ant­wort­li­chen Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber gar nicht oder allen­falls mit ange­zo­ge­ner Hand­brem­se kommuniziert.
Trotz­dem wird die Pres­se immer wie­der ger­ne dafür her­ge­nom­men, um dar­zu­stel­len, man wür­de ja mit den von den zahl­rei­chen Netz­aus­bau-Pro­jek­ten Betrof­fe­nen spre­chen (sie­he hier). Bei der Fir­ma Ten­net sind Pro­fis am Werk, kei­ne Fra­ge, die ihre Theo­rien hübsch ver­mark­ten. Was aber frag­lich ist: Wie sieht die Situa­ti­on tat­säch­lich aus, dort, wo es tat­kräf­ti­ge Wider­stän­de gegen neue Strom­tras­sen gibt?

 

Schwei­gen an den Trassen

An Orten, an denen seit Jah­ren kei­ne Akzep­tanz für den Bau einer neu­en Lei­tung besteht, kommt Ten­net mit der im Bei­trag genann­ten “Tool­box” für eine angeb­lich bedarfs­ge­rech­te Kom­mu­ni­ka­ti­on erkenn­bar nicht wei­ter. Ein Bei­spiel dafür ist das Nürn­ber­ger Land. Hier wur­den bereits der “Süd-Ost-Pas­sa­ge” der Fir­ma Ampri­on und der “P44mod” des Über­traun­gs­netz­be­trei­bers Ten­net eine kra­chen­de Absa­ge erteilt. Die­se Pro­jek­te sind erst mal vom Tisch. Aber weil es Mil­li­ar­den zu ver­die­nen gibt, wird natür­lich nicht aufgegeben.

Mit dem neu­en Netz­ent­wick­lungs­plan 2037/2045 (2023) kommt – neben Jura­lei­tung und Umspann­werk – die neue 380kV-Lei­tung P482 ins Spiel. Gab es nach der Ver­öf­fent­li­chung die­ser Hiobs­bot­schaft für die Regi­on Info­ver­st­an­stal­tun­gen? Natür­lich nicht. Denn Ten­net hat Angst vor öffent­li­chen Dis­kus­sio­nen. Jede The­ma­ti­sie­rung neu­er Pro­jek­te bringt eine Auf­merk­sam­keit, die für die Pro­jek­tie­rer nur unan­ge­nehm sein kann, wie die Erfah­run­gen gezeigt haben. Mehr als die Tat­sa­che, dass man bau­en will, kom­me was da wol­le, könn­te Ten­net auch gar nicht ver­kün­den beim “Dia­log” mit den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern. Da lässt man es doch lie­ber gleich bleiben.

Die Ver­su­che, miss­lie­bi­ge Stell­ver­tre­ten­de der Bür­ger­initia­ti­ven von “Info”-Veranstaltungen aus­zu­sper­ren, schei­ter­ten ein ums ande­re Mal. Um zu recht­fer­ti­gen, dass man in Wider­stands-Regio­nen kei­ne Ver­an­stal­tun­gen abhal­ten kön­ne, wur­de vom Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber Ten­net öffent­lich zu Not­lü­gen gegrif­fen: Man kön­ne nicht kom­men, weil man Angst haben müs­se. Man sei bedroht wor­den auf dem Acker bei der Besich­ti­gung von Stand­or­ten. Das stimmt nicht, wur­de aber trotz­dem nicht hin­ter­fragt und in der Zei­tung gebracht, also muss ja was dran sein. Dass auch noch der gesam­te Stadt­rat und allen vor­an ein reni­ten­ter Bür­ger­meis­ter die Situa­ti­on in Alt­dorf ver­schär­fen, dürf­te die Not der Ten­net-Kom­mu­ni­ka­to­ren erheb­lich erhöht haben, so dass kon­se­quent wei­ter auf die Ver­mein­dungs­stra­te­gie gesetzt wird.

Ebbe in der “Tool­box”: Kei­ne Verhandlungsmasse

Die Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Metho­de der Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber greift vor allem des­halb nicht, weil sie fol­gen­de Fak­ten außer Acht lässt: Leit­satz sei es, “offen, früh­zei­tig, trans­pa­rent und auf Augen­hö­he mit den Betei­lig­ten vor Ort zu kom­mu­ni­zie­ren”. Das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um, das fehlt, ist Ergeb­nis­of­fen­heit. Es wur­de nie, zu kei­ner Zeit, in einer trans­pa­ren­ten, öffent­li­chen gesell­schaft­li­chen Dis­kus­si­on dar­über gespro­chen, wie das Ener­gie­sys­tem der Zukunft aus­se­hen soll­te, mit dem kos­ten­güns­tig, umwelt­ver­träg­lich und kli­ma­freund­lich Ver­sor­gungs­si­cher­heit geschaf­fen wer­den kann. Der mas­si­ve Aus­bau des Über­tra­gungs­net­zes wur­de als qua­si “gott­ge­ge­be­ne” Aus­gangs­si­tua­ti­on ein­fach als gesetzt beschlos­sen. Wer aber kei­ne Alter­na­ti­ven in der Ver­hand­lungs­mas­se mit­bringt, kann auch kei­ne Dis­kus­si­on auf Augen­hö­he führen.

Umbau zum Ener­gie­wen­de-Sys­tem statt Ver­stär­kung ver­al­te­ter Strukturen

Dabei spre­chen wei­ter zuneh­mend zahl­rei­che Grün­de gegen den Aus­bau des zen­tra­lis­ti­schen EU-Super­grid und vie­le für den Umbau hin zu einem dezen­tra­li­sier­ten, zel­lu­la­ren Ver­sor­gungs­sys­tem auf Basis Erneu­er­ba­rer Ener­gien. Die Gefahr von Anschlä­gen auf kri­ti­sche Infra­struk­tur ist mas­siv gestie­gen; Zukunfts­for­scher wie Jere­my Rif­kin spre­chen sich nicht zuletzt des­halb für ein zel­lu­la­res Sys­tem aus.

Netz­aus­bau­be­schleu­ni­gung ist Entdemokratisierung

Wie die kon­zern­freund­li­chen Geset­zes­ent­wür­fe zur Netz­aus­bau-Beschleu­ni­gung zustan­de kom­men, das konn­te man im sozia­len Netz­werk “Lin­ke­dIn” ver­fol­gen. Dort mach­ten die vier ÜNB-Oli­go­po­lis­ten viel Stim­mung für den Aus­bau des euro­päi­schen Höchst­span­nungs­net­zes. Nur wenn das in mög­lichst kur­zer Zeit hoch­ge­pimpt wer­de, kön­ne man über­haupt an einen Aus­bau von Erneu­er­ba­ren Ener­gien den­ken, so die Behaup­tung. Was man dafür brau­che, dafür gab es einen aus­führ­li­chen Wunsch­zet­tel, den man ohne nen­nens­wer­te Ver­än­de­run­gen im Bun­des­tag wie­der­fin­den konn­te. Erkenn­bar ist: Die­se Beschleu­ni­gung des Über­tra­gungs­netz­aus­baus geht auf Kos­ten demo­kra­ti­scher Mit­spra­che und auf Kos­ten des Umweltschutzes.

Inter­view bei ener­ga­te mit Anja Schlicht, Geschäfts­füh­re­rin der Agen­tur Navos, und Mar­tin Groll, Head of Com­mu­ni­ty Rela­ti­ons beim Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber Tennet

Dör­te Hamann

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