Bild: Der Trassen-Dino als Symbol für einen veralteten Stromnetz-Ausbau, dessen Planung noch aus Zeiten vor der Energiewende stammt.
Mahnwache in Ludersheim:
Bundestagskandidaten stellten sich Fragen der Demonstranten
Trotz hochsommerlicher Temperaturen waren am Freitagabend, den 18.06.2021, rund 150 Teilnehmer nach Ludersheim zur Mahnwache gekommen. Unter den Gästen waren Bundestagskandidaten, die sich zum Thema Juraleitung und Ausbau der Stromnetze positionierten und den Fragen der Demonstranten stellten. Insgesamt herrschte Einigkeit darüber, dass der Neubau der Juraleitung verhindert werden müsse, weil deren Dimensionen und negative Auswirkungen jedes vernünftige Maß sprengen.
Altdorfs Bürgermeister Martin Tabor zeigte sich kämpferisch und bekräftigte, dass er sich als Vertreter der Stadt gemeinsam mit vielen Stadträten entschieden gegen die Pläne Tennets wehren werde, die weite Teile Altdorfs heftig treffen würden. Am Nadelöhr Ludersheim zeige sich deutlicher als anderswo, dass für die Juraleitung keine verträgliche Lösung ohne massive Eingriffe in Natur und Wohnumfeld gefunden werden könne. Hier wird in unmittelbarer Nähe der Wohnbebauung ein zweites Umspannwerk geplant. Ein Mindestabstand zur aufgerüsteten Stromleitung, wie er in der Landesentwicklungsprogramm empfohlen wird, kann in Ludersheim aufgrund der engen Bebauung nicht eingehalten werden.
Die jetzige Planung sei veraltet und nicht im Sinne der Energiewende, so die Position der Bürgerinitiativen im Aktionsbündnis Trassengegner. Als Symbolfigur dafür mischte sich deshalb der „Trassendino“ während der Mahnwache unter die Teilnehmenden. Und obwohl die politische Spannbreite der Bundestagskandidat*innen groß war, stimmten sie darin überein, dass die bestehenden Übertragungsleitungen in Bayern ausreichen und dezentralere Strukturen dem geplanten Stromnetzausbau vorzuziehen seien.
Kathrin Flach Gomez, Bundestagskandidatin, Landessprecherin bei DIE LINKE Bayern und Stadträtin in Nürnberg, kritisierte den großen Einfluss von profitorientiertem Lobbyismus auf die Politik: „Konzernspenden sind ein großes Problem und führen zu verfehlten Weichenstellungen beim Stromnetzausbau.“ Die Linke beziehe seit Jahren eine klare Position gegen Übertragungs-Stromtrassen wie die Juraleitung und setze sich als einzige Partei im Bundestag gegen die Netzausbau-Pläne der Bundesregierung und für dezentralere Strukturen bei der Energiewende ein.
Bundestagskandidat und stellvertretender Generalsekretär der Freien Wähler Bayern, Felix Locke stellte fest: „Stromtrassen produzieren keinen Strom.“ Das aber sei ein Problem, denn was in Zukunft fehlen werde, sei umweltfreundlich erzeugter Strom mit Wertschöpfung in Bayern. Deshalb sei die derzeit einseitige Investition in neue Leitungen fragwürdig, weil teuer und zeitaufwändig, und gehöre auf den Prüfstand.
Bundestagskandidat Jan Plobner, SPD-Kreisrat im Nürnberger Land und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Altdorf, kennt als Einheimischer die Situation vor Ort gut. Er versprach, sich in Berlin gegen neue Trassen wie die Juraleitung einzusetzen.
Die nächste Veranstaltung in Ludersheim wird am Samstag, den
31. Juli 2021 als Protestcamp mit Übernachtung und einer Kundgebung um 18 Uhr stattfinden. Die Trassengegner sind gespannt, ob sich diesmal die Parteivertreter und Bundestagskandidaten von CSU und Grünen wieder entschuldigen lassen. Die Vorgespräche mit hochrangigen Rednern aus der Politik laufen bereits.
BUND Naturschutz unterstützt Trassengegner bei Demo in Feucht
Am Samstagvormittag ging es in Feucht bei einer Kundgebung auf dem Sparkassenplatz mit rund 100 Teilnehmer*innen weiter. Neben Infoständen zum Raumordnungsverfahren gab es eine Kundgebung. Feuchts Bürgermeister Jörg Kotzur äußerte sich in einem Grußwort klar gegen den Neubau der Juraleitung und brachte seine Sorge zum Ausdruck, dass durch die Trasse viel Wald und Natur zu Schaden kommen würde.
Dörte Hamann stellte als Vertreterin für das Aktionsbündnis Trassengegner fest, wie realitätsfern es sei, in Zeiten des Klimawandels Projekte voranzutreiben, die in das System der Energiewende nicht hineinpassen: „Klimaschutz ist oberstes Gebot, wie auch das Bundesverfassungsgericht kürzlich in einer historischen Entscheidung festgestellt hat“. Der exzessive Neubau von Übertragungsleitungen widerspreche jedoch der Vorgabe, dass Klimaschutz bei Entscheidungen zwingend an vorderster Stelle stehen müsse. Auch die Juraleitung sei Teil eines Stromnetzes, das belegbar nach den Plänen der Bundesregierung und der Übertragungsnetzbetreiber über Jahrzehnte hinweg weiterhin hohe Anteile von fossil-atomarem Strom transportieren soll. Ersatz für die Ökostromlücke in Deutschland und Bayern soll ausgerechnet Atomstrom aus maroden AKW in Frankreich sein.
Herbert Barthel, kürzlich in den Ruhestand gegangener Referent für Energie und Klimaschutz des BUND Naturschutz Bayern (BN), ersetzte kurzfristig den erkrankten Vorsitzenden Richard Mergner. Dass die Juraleitung immer mit dem Begriff „Ersatzneubau“ verharmlost werde, sei eine Verschleierung der Tatsache, dass es sich schlicht um eine neue Trasse handele, die mit einer Aufrüstung auf siebenfache Stärke und elffache Leistung ein zerstörerisches Mammutprojekt sei. Fundiert erläuterte Barthel die Bedeutung des Waldes und legte dar, dass für eine Stromleitung abgeholzter Wald unwiederbringlich verloren sei und nicht durch Neuaufforstungen ersetzt werden könne, schon gar nicht in Zeiten des Klimawandels, der den jungen Pflanzen massiv zusetze. Die Kosten für die Naturzerstörung, die Zerstörung der Wälder und des Bodens, seien nicht zu beziffern. Deshalb sei ein Umdenken bei der Energieversorgung zu dezentralen Strukturen und der Ausbau von Erneuerbaren Energien in Bayern unumgänglich.
Auch in Feucht waren die Solidarität und die gute Vernetzung von Aktiven gegen den überdimensionierten Netzausbau erkennbar.