Volles Haus bei der Vorstellung des Gutachtens zum Netzentwicklungsplan (NEP) 2030 von Professor Lorenz Jarass in Neustadt/Waldnaab am 22.01.2020 mit Rechtsanwalt Wolfgang Baumann und Rainer Kleedörfer von der N‑ERGIE
“Es ist doch nicht die Frage, geht die Trasse bei mir vorbei oder nicht, sondern: Wie viel wollt Ihr denn zahlen an die Übertragungsnetzbetreiber und Profiteure? Der Netzausbau geht jeden von uns etwas an!” – mit dieser zentralen Feststellung brachte Rechtsanwalt Wolfgang Baumann das Thema der Veranstaltung in Neustadt/Waldnaab auf den Punkt. Mit seinem Gutachten zeigt Prof. Lorenz Jarass auf, dass eine dezentrale Stromerzeugung wegen der Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten systematisch benachteiligt wird, wodurch die Energiewende und der Klimaschutz behindert werden. Das Bundesbedarfsplangesetzt dürfe deshalb nicht verabschiedet werden, so die Forderung des Experten.
“Verjagt sie!” war der Ratschlag von Rechtsanwalt Baumann an die Grundstücksbesitzer, die derzeit von Bohrungen durch Tennet betroffen sind. Das gelte allerdings nur für diejenigen, die sich im Landkreis Wunsiedel befinden. Am Montag hatten der Landkreis sowie der BUND Naturschutz und weitere Vereine Klage gegen den Südostlink erhoben. Damit können sich die Betroffenen darauf berufen, dass derzeit ein Verfahren laufe, ein Eingriff in ihre Rechte sei demnach inakzeptabel.
Für viele weitere Betroffene entlang der geplanten Stromtrassen gilt dieser Schutz nicht – sie sollten sofort bei ihren Vertretern der Kommunen einfordern, dass diese sich schützend vor die Regionen stellen, indem sie dem Beispiel des Landkreises Wunsiedel folgen und Klage einreichen. Das sogenannte “Hamelner Bündnis”, das zahlreiche Landkreise – außer Wunsiedel – vertritt, hat bislang jedoch signalisiert, dass es gegen die Pläne der Trassenbauer nicht juristisch vorgehen werde, was schlicht daran liegt, dass dieses Bündnis ein grundsätzlicher Befürworter des Netzausbaus ist.
Die Politik forderte Rechtsanwalt Baumann auf, Nägel mit Köpfen zu machen und gegen den Südostlink zu klagen, anstatt nach sinnlosen Alternativen für einen Verlauf entlang der Autobahn zu suchen. Die Wunsiedel-Klage könne auch an anderen Trassen wie der Juraleitung oder dem Südlink als Paradigma verwendet werden.
Rainer Kleedörfer von der N‑ERGIE sorgte für einen Blick über den Tellerrand und stellte die fundamentale Bedeutung des Wärmemarktes für die Energiewende und die Erreichung der Klimaziele in den Vordergrund. “Sich anzumaßen, dass die Energiewende zentral sein muss, ist der falsche Weg”, so seine Kritik an den politischen Entscheidern. Dies führe zu irrigen Annahmen und der Behauptung, man müsse erst das Stromnetz massiv ausbauen, um überhaupt Erneuerbare Energien zubauen zu können. Kleedörfer: “Das ist Blödsinn im System”.
Die Neustädter Stadthalle war komplett gefüllt, und auch vom Südlink, der Juraleitung und der P44mod waren Trassengegner angereist, um sich untereinander weiter zu vernetzen. Der Geist von Wackersdorf sei zu spüren, so das begeisterte Fazit von Rechtsanwalt Wolfgang Baumann. Und er muss es wissen, da er seinerzeit die Gegner der atomaren Wiederaufbereitungsanlage vertreten hat.