Von: Wolf von Fabeck (sfv-fabeck@gmx.de)
Gerüchte besagen, dass im deutschen Teil der Nord- und Ostsee sowie in Nord- und Nordost-Deutschland immer genügend Wind weht. Den dort erzeugten Windstrom müsse man durch Vervollständigung der Fernübertragungs-Trassen nach Süddeutschland leiten, wo er dringend benötigt werde.
Doch dieses Gerücht ist falsch! Einzig auf diesem Gerücht vom Windstromüberschuss im Norden baut die gesamte Energiewendepolitik der Bundesrepublik auf, die im sogenannten “Szenario-Rahmen” enthalten ist, über den nach Aussage von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier angeblich ein breiter Konsens besteht.
Doch die Annahme, dass im Norden immer Wind wehen würde, ist falsch. Es kommt sogar vor, dass nirgendwo in Deutschland Wind weht. Zum Beispiel sind im Jahr 2016 im Bereich des deutschen Stromnetzes (von den Offshore-Windanlagen in Nord- und Ostsee bis zur deutschen Südgrenze) 52 Dunkelflauten aufgetreten (in Worten: zweiundfünfzig, also im Durchschnitt jede Woche eine Dunkelflaute).
Unter “Dunkelflaute” verstehen wir den Ausfall der Solarenergie wegen nächtlicher Dunkelheit oder wegen dunkler Wolken UND das gleichzeitige Auftreten einer Flaute (d.h. sehr schwacher Wind). Die zur Verfügung stehende elektrische Leistung aus Sonne und Wind beträgt dann weniger als fünf Prozent der installierten Gesamtleistung.
Zur Versachlichung der Diskussion folgt hier eine Aufzählung von Dunkelflauten im Jahr 2016 -
52 Nächte mit Dunkelflaute, in denen die in das gesamte deutsche Stromnetz (von den Offshore-Windanlagen bis nach Baden-Württemberg und Bayern) eingespeiste aufsummierte Windleistung zumindest stundenweise deutlich geringer war als ein Zehntel der installierten Windleistung.
26./27.11.2015 07./08.12.2015 13./14.12.2015 01./02.01.2016 15./16.01.2016
17./18.01.2016 20./21.01.2016 12./13.02.2016 18./19.02.2016 26./27.02.2016
05./06.03.2016 08./09.03.2016 18./19.03.2016 08./09.04.2016 14./15.04.2016*
28./29.04.2016 25./26.05.2016* 26./27.05.2016 27./28.05.2016 04./05.06.2016
16./17.06.2016 22./23.06.2016 04./05.07.2016 07./08.07.2016 12./13.07.2016
24./25.07.2016 25./26.07.2016 26./27.07.2016 30./31.07.2016 18./19.08.2016
31./01.09.2016 05./06.09.2016 09./10.09.2016 20./21.09.2016 22./23.09.2016
26./27.09.2016 09./10.10.2016 15./16.10.2016 22./23.10.2016 25./26.10.2016
30./31.10.2016 11./12.11.2016 22./23.11.2016 25./26.11.2016 28./29.11.2016
02./03.12.2016 04./05.12.2016 05./06.12.2016 06./07.12.2016 12./13.12.2016
13./14.12.2016 14./15.12.2016 16./17.12.2016 18./19.12.2016* 28./29.12.2016
In den mit * gekennzeichneten Nächten betrug die Windleistung sogar weniger als 1 Gigawatt.
Datenquelle: Das “Agorameter”
Manche Dunkelflauten dauern nur Viertelstunden, andere können sich über Tage und sogar Wochen hinziehen. Doch auch während einer Dunkelflaute muss die Stromversorgung ununterbrochen aufrecht erhalten werden. Dazu braucht man keine Fernübertragungsleitungen sondern Langzeit-Stromspeicher!
Schlussfolgerungen
Wenn wir endlich überall in Deutschland den Solar- und Windanlagen-Ausbau vorantreiben würden, (Im Moment wird er allerdings gebremst) könnten wir rechnerisch im Jahresmittel den Energiebedarf decken.
Es wird dann genügend Solar- und Windenergie geben, nur kommen sie nicht immer zur gewünschten Zeit. Überhöhte Solar- und Wind-Leistungen müssen ZEITLICH verschoben werden.
Nur Stromspeicher können Leistungen ZEITLICH verschieben. Stromleitungen können Leistung nur ÖRTLICH verschieben. Wir brauchen deshalb Strom-SPEICHER statt Strom-Fern-Leitungen.
Die Milliarden für die Fernübertragungsleitungen sollte man besser in den Speicherbau stecken – zum Beispiel Power to Liquid (Erzeugung von Methanol mit EE-Strom aus dem CO2 der Atmosphäre).
Danke für die Darstellung hinsichtlich Dunkelflaute und die erneute Feststellung nur für den Windstrom aus dem Norden werden die Trassen nicht gebaut.
Lediglich bei den Schlussfolgerungen fehlt mir der Hinweis auf eine dezentrale Energieerzeugung und Speicherung, denn bei einer Dunkelflaute in Deutschland hilft auch keine Windanlage vor Ort.
Aber was schreiben und reden wir, die Politiker in ihrer eigenen Blase erkennen, oder wollen diese Zusammenhänge nicht erkennen.
Ich bin gespannt, was die Grünen jetzt in Europa machen werden, denn auch von ihnen habe ich bisher noch kein umfassendes Konzept zur Energiewende gesehen. Zwar bröckelt in der Partei die bedingungslose Zustimmung zum Netzausbau, aber Netzausbau ist nur ein Teilaspekt.
Hallo Matthias, zur Erinnerung: Das Motto des Solarenergie-Fördervereins lautet seit Jahren “Speicher, Wind- und Sonnenstrom ersetzen Kohle und Atom”. Wolf von Fabeck hat in seinen Vorträgen schon immer auf die Speicher hingewiesen, ohne die die Erneuerbaren hilflos sind. Hier ein Beitrag aus dem Onetz, anlässlich seines Vortrags 2016 in der nördlichen Oberpfalz https://www.onetz.de/kreis-tirschenreuth/politik/ein-thema-das-elektrisiert-wolf-von-fabeck-will-stromspeicher-statt-fernleitungen-d1199314.html.
Das gilt aber eben auch für die dezentrale Lösung
Das Stromsystem nur unter einem Aspekt wie „keine neuen Leitungen“ zu betrachten, wird dem System nicht gerecht. Doch zumindest wird hier nicht die Falschbehauptung wiederholt, der Ausbau des Übertragungsnetzes würde hauptsächlich der Braunkohleverbrennung dienen. Aber Sprüche wie „Fernübertragungsleitungen können keinen Wind-Strom übertragen wenn kein Wind weht“ erinnern mich an einfältige Sprüche a la „Solarzellen bringen nichts, denn nachts scheint ja keine Sonne.“ Oder wie die tonangebenden Windkraftgegner fälschlich sagen: Der Ausbau von PV und Windkraft ist sinnlos, wenn wir nicht zuerst die Speicher ausbauen. https://www.erneuerbareenergien.de/demo-gegen-windkraft-in-berlin-bwe-macht-angebot
Man muss unser Stromsystem auch wirklich als System verstehen. Und dazu gehören unterschiedliche Erzeugungsanlagen und unterschiedliche Verbraucher. Und diese Erzeuger wie Verbraucher haben spezifische Profile; beispielsweise wann sie wie viel Strom erzeugen oder verbrauchen oder auch welche Kosten bei der Erzeugung anfallen.
Wichtig für das anzustrebende Stromsystem Richtung 100 % EE-Versorgung sind die Flexibilitätsoptionen, um die Erzeugung und den Verbrauch aufeinander abzustimmen. Die wichtigste wiederum ist der Mix der verschiedenen EE-Arten. Denn gerade die sehr günstigen EE-Arten Photovoltaik und Windkraft sind abhängig von der Jahres- und der Tageszeit und vom Wetter wohingegen Bioenergie und Wasserkraft weniger wetterabhängig und etwas steuerbar sind.
Die drei weiteren Flexibilitätsoptionen sind: großräumige Verteilung aber auch verlustarme Vernetzung der EE-Anlagen, um die Wetterunterschiede zu nutzen, Lastmanagement und drittens Ausbau der Speicher. Wobei wir im Jahr 2019 noch nicht absehen können, welche Speicher sich ökonomisch und ökologisch durchsetzen werden. Das Zusammenspiel aller vier Flexibilitätsoptionen kann man nicht am „grünen Tisch“ planen, denn es hängt von vielen auch überraschenden technischen Entwicklungen in der Zukunft ab. Wer hat beispielsweise die riesigen Kostensenkungen bei der Photovoltaik aber auch bei der Seewindkraft so vorausgesehen? Und erwarten uns bei all diesen Techniken noch uns heute unbekannte Gesundheits- und Umweltprobleme?
Raimund Kamm